TL;DR
- „Alt“ hängt vom Blickwinkel ab: Markt (Altbau <= 1949), Energie (vor 1977 oft unsaniert), Steuer (AfA nach Baujahr), Technik (Restnutzungsdauer), Versicherung (Baukonstruktion).
- Schnelle Faustregel: Unmodernisiert vor 1977 = energetisch alt; Baujahr vor 1950 = klassischer Altbau; 1950-1978 = älterer Bestand; ab 1979 = moderner Bestand, aber je nach Sanierung.
- Gesetz: GEG 2024/2025 mit Pflichten für Bestandsgebäude (z. B. Dämmung oberste Geschossdecke, §47 GEG); Heizungen neu: 65%-Erneuerbare-Pfad (§71 GEG).
- Finanz/Steuer: AfA nach §7 Abs. 4 EStG - bis 1924: 2,5% p. a.; ab 1925: 2% p. a.; neue Wohngebäude ab 2023: 3% p. a.
- Bewertung: „Alt“ ist weniger eine Zahl als Zustand + Risiko. Prüfe Baujahr, Sanierungen, Technik, Statik, Energieausweis, Versicherungstarif.
Was bedeutet "alt" bei Häusern? 5 Blickwinkel, 5 Antworten
Die Frage hat keine eine richtige Zahl. „Alt“ meint je nach Kontext etwas anderes. Makler, Banken, Versicherer, Finanzamt und Energiegesetz nutzen eigene Kriterien. Der Trick: Du ordnest dein Haus nach dem Zweck ein - Verkauf, Finanzierung, Sanierung, Versicherung oder Steuer.
Markt/Immobilien-Sprache: In Exposés und bei Portalen in Deutschland gilt „Altbau“ meist für Gebäude mit Baujahr bis 1949. Diese Häuser haben oft hohe Decken, Stuck, Holzdielen, Kastenfenster (falls unsaniert) und andere typische Details. 1950-1969 und 1970er gelten als „Bestand“, nicht als Altbau im klassischen Sinn. Wichtig: Ein 1905er Haus kann technisch top sein, wenn es kernsaniert wurde. Und ein 1998er kann alt wirken, wenn nie modernisiert.
Energie-Blick (Sanierungslogik): Die Wärmeschutzverordnung (WSchV) kam 1977. Vorher gebaute Häuser sind ohne Sanierung energetisch schwach - also „alt“ im energetischen Sinne. Weitere Stufen: WSchV 1984/1995, EnEV 2002/2009/2014, seit 2020 Gebäudeenergiegesetz (GEG). Wenn ein Haus vor 1977 steht und keine Dämmung, alte Fenster und alte Heizung hat, wirst du es bei Heizkosten und CO₂ als alt spüren.
Recht/GEG 2024/2025: Das GEG bündelt Anforderungen an Bestandsgebäude. Zwei Punkte sind für „alt“ praktisch: 1) Pflicht zur Dämmung der obersten zugänglichen Geschossdecke (wenn nicht Mindestwärmeschutz), §47 GEG. 2) Beim Heizungstausch muss die neue Heizung schrittweise auf 65% erneuerbare Energien ausgerichtet werden (§71 GEG). Das Gesetz sagt nicht „ab X Jahren ist es alt“, aber es definiert Pflichten, die vor allem ältere, unsanierte Häuser treffen.
Steuer/AfA: Für Vermieter zählt „alt“ bei der Abschreibung. Nach §7 Abs. 4 EStG gilt: Baujahr bis 1924: 2,5% linear; ab 1925: 2% linear. Für neue Wohngebäude, die nach dem 1.1.2023 fertig wurden, gibt es 3% linear. Dadurch ist „alt“ steuerlich klar an das Baujahr gekoppelt, nicht an den Zustand.
Versicherung/Technik: Viele Wohngebäudeversicherer fragen nach Baujahr, Bauart (z. B. Mauerwerk, Holz), Dach, Leitungen und Sanierungen. „Altbau“ heißt hier oft: Holzdecken, alte Leitungen, höhere Leitungswasserrisiken. Das führt zu Zuschlägen oder Bedingungen. Auch Banken achten auf die Restnutzungsdauer: Ist die Substanz fit und modernisiert, gilt es trotz hohen Alters als tragfähig; ohne Sanierung sinkt die Beleihbarkeit.
Bottom line: „Alt“ ist kein starres Alter, sondern eine Funktion aus Baujahr + Sanierungsstand + Regelwerk. Markt nennt Altbau ≤ 1949. Energie nennt unsaniert vor 1977 alt. Steuer koppelt an 1924/1925. Technik/Versicherung schaut auf Risiken, nicht nur aufs Baujahr.
So ordnest du dein Haus ein: Schritt-für-Schritt + Checklisten
Wenn du nur eine Zahl willst, landest du bei Streit. Besser du gehst pragmatisch vor. So findest du heraus, ob ein Haus in deinem Kontext „alt“ ist.
- Zweck klären: Wofür brauchst du die Einordnung?
- Verkauf/Kaufpreis? → Markt-Sicht (Altbau-Label, Nachfrage, Aufschlag oder Abschlag).
- Sanierung/Heizkosten? → Energetische Sicht (Regelwerke, Einsparpotenziale).
- Vermietung/Steuern? → AfA-Regeln (§7 Abs. 4 EStG).
- Finanzierung/Bank? → Restnutzungsdauer, Modernisierungsstatus.
- Versicherung? → Bauartklasse, Leitungen, Brandschutz, Dach.
- Baujahr und Epochen zuordnen:
- bis 1918: Gründerzeit/Jugendstil - oft hohe Decken, massive Wände, Holzbalkendecken.
- 1919-1949: Vorkriegs/Nachkriegs - gemischt, häufig Altbau-Charakter.
- 1950-1976: frühe Nachkriegsmoderne - wenig Dämmung, einfache Fenster.
- ab 1977: erste Wärmeschutz-Verordnung - energetisch besser.
- ab 2002 (EnEV) und besonders ab 2016/2020 (EnEV/GEG): deutlich strengere Standards.
- Sanierungen dokumentieren (mit Jahreszahlen):
- Dach (Eindeckung + Dämmung) - ideal: neue Eindeckung + Dämmung nach 2000.
- Fassade (WDVS oder Kerndämmung) - ideal: nach 2005.
- Fenster (Wärmeschutzverglasung) - ideal: nach 2010, Uw ~1,1-1,3 W/m²K.
- Heizung (Brennwert, Wärmepumpe, Fernwärme) - ideal: nach 2015 oder Wärmepumpe mit JAZ ≥ 3,5.
- Elektro/Leitungen - ideal: FI/LS-Schutz, ausreichend Stromkreise, Kupferleitungen.
- Energie-Einordnung: Lies den Energieausweis.
- Energiebedarf A+ bis C: eher „modern“. D bis G: energetisch „alt“.
- Bei Verbrauchsausweis: Prüfe Heizkosten plausibel über 3 Jahre (wetterbereinigt).
- Technik-Check: Lebensdauern kennen (siehe Tabelle unten).
- Wenn mehrere Schlüsselteile am Ende der Lebensdauer sind, ist das Haus technisch „alt“ - auch wenn das Baujahr jung klingt.
- Recht prüfen (GEG): Sind Pflichtmaßnahmen offen? Wenn ja, energetisch „alt“ mit Handlungsdruck.
- Risiken/Versicherung: Gibt es Altlasten (Blei, Asbest), alte Steigleitungen, fehlender Blitzschutz? Das sind Altbau-Risiken.
Einfacher Entscheidungsbaum (vereinfachte Heuristik):
- Vor 1950 und unsaniert? → Markt: Altbau. Energie/Technik: alt. Versicherung: erhöhte Aufmerksamkeit.
- 1950-1976 und unsaniert? → Energie: alt. Markt: Bestand, kein „Altbau“-Label. Sanierungsbedarf hoch.
- Ab 1977 mit Sanierungen 2000+? → Meist moderner Bestand. „Alt“ nur punktuell (z. B. Dach älter).
- Kernsanierung in den letzten 15 Jahren (Dach, Fassade, Fenster, Heizung, Leitungen)? → Egal welches Baujahr: nicht „alt“ im technischen Sinn.
Woran erkennst du „modernisiert vs. kosmetisch aufgehübscht“?
- Echt modernisiert: neue Leitungen, Zählerplatz, Verteiler, FI/LS; Rohrleitungen dokumentiert getauscht; Heizlast berechnet; Dämmstandards nachvollziehbar (U-Werte).
- Kosmetik: neue Küche, neuer Boden, frisch gestrichen - aber alte Fenster, alte Therme, alte Sicherungen.
Grenzwerte, die dir helfen:
- Energie: Vor 1977 ohne Dämmung → Heizwärmebedarf oft 180-250 kWh/m²a. Nach guter Sanierung Ziel 70-100 kWh/m²a.
- Fenster vor 1995 meist Ug ≥ 2,8. Moderne 3-fach ~0,5-0,7. Spürbar am Schimmelrisiko und Zugluft.
- Heizkessel > 30 Jahre? Nach GEG oft Austauschpflicht (Ausnahmen möglich). Prüfe Gerätetyp.
Praxis: Beispiele, Lebensdauern, Kosten, FAQ und nächste Schritte
Beispiel 1 - Gründerzeit, Baujahr 1908, teilsaniert: Dach 1998, Fenster 2005, Gastherme 2004, Fassade ungedämmt. Markt nennt es „Altbau“. Energetisch alt (Fassade, Heizung). Steuerlich alt (AfA 2,5%). Versicherung achtet auf Leitungen und Holzbalkendecken. Fazit: Alt - aber mit planbarer Sanierung modernisierbar.
Beispiel 2 - Baujahr 1968, nie saniert: Klassischer Nachkriegsbestand. Kein Altbau-Label, aber energetisch alt. Dach, Fenster, Heizung am Ende. Fazit: Alt durch Zustand - hohe Energiekosten, Sanierungsstau.
Beispiel 3 - Baujahr 1994, kernsaniert 2018 (Dach + Fassade + Fenster + Wärmepumpe + Elektro): Markt: moderner Bestand. Technisch: nicht alt. Steuerlich: AfA 2% (weil Baujahr ≥ 1925). Versicherung: unkritisch. Fazit: Nicht alt.
Beispiel 4 - Baujahr 2008, unsaniert, Gas-Brennwert noch OK: Markt jung. Energie OK, aber künftig Heizungspfad beachten (65%-Regel bei Tausch). Fazit: nicht alt - aber beim nächsten Heizungstausch GEG-Pfad planen.
Typische Lebensdauern wichtiger Bauteile (Richtwerte, Praxis variiert mit Qualität/Wartung):
Bauteil/Anlage | Typische Lebensdauer | Hinweis |
---|
Dacheindeckung (Ziegel/Beton) | 40-60 Jahre | Mit Dämmungserneuerung kombinieren |
Dachdämmung | 30-40 Jahre | Nachdämmung oft wirtschaftlich |
Fassade (WDVS) | 30-40 Jahre | Algen/Mechanik beachten; Putzzyklus |
Fenster (2-fach) | 20-30 Jahre | 3-fach heute Standard im Neubau |
Heizkessel (Gas/Öl) | 15-20 Jahre | GEG-Austausch prüfen (Gerätetyp) |
Wärmepumpe | 15-20 Jahre | Quelle/Wartung entscheidend (JAZ) |
Elektroinstallation | 30-50 Jahre | FI/LS Pflicht in Nassräumen Stand heute |
Sanitär-/Steigleitungen | 40-60 Jahre | Altbau oft Mischbestand (Stahl/Kupfer) |
Innenputz/Trockenbau | 30-50 Jahre | Feuchte-/Schadensfrei viel länger |
Außentüren | 25-40 Jahre | Einbruchschutz und U-Wert prüfen |
Richtwerte Kosten (Deutschland 2025, grob, zzgl. MwSt, ohne Gewähr):
- Dach (neu eindecken + dämmen): 250-450 €/m² Dachfläche.
- Fassade WDVS: 150-250 €/m² Fassadenfläche.
- Fensterwechsel: 650-1.200 €/m² Fensterfläche inkl. Einbau.
- Wärmepumpe (inkl. Hydraulik/Peripherie): 20.000-35.000 €, je nach System/Gebäude.
- Elektrik komplett EFH: 12.000-25.000 €.
Förderung: Für Heizung und Effizienzmaßnahmen greift die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Mit dem 65%-Erneuerbaren-Pfad sind für Wärmepumpen Zuschüsse möglich (Einstieg + Einkommens-/Geschwindigkeitsbonus bis zu hohen Prozentsätzen, gedeckelt über förderfähige Kosten). Prüfe tagesaktuell KfW/BAFA, da Fördertöpfe und Bedingungen sich ändern.
Rechtlicher Rahmen (relevante Normen/Paragrafen, Stand 2025):
- GEG (Gebäudeenergiegesetz): z. B. §47 (oberste Geschossdecke), §71 (65%-Erneuerbare bei neu eingebauten Heizungen), weitere Pflichten bei Eigentümerwechsel (Heizkesselalter beachten).
- EStG §7 Abs. 4: Lineare AfA für Wohngebäude - bis 1924: 2,5% p. a.; ab 1925: 2% p. a.; neue Wohngebäude ab 2023: 3% p. a.
- Historische Stufen: WSchV 1977/84/95, EnEV 2002/2009/2014, GEG 2020/2024.
Checkliste „Ist dieses Haus alt?“ (schnell durchklicken):
- Steht das Baujahr vor 1950? → Markt-Altbau ja; Technik prüfen.
- Vor 1977 und keine Dämmung/Fenster/Heizung modernisiert? → Energetisch alt.
- Mehrere Kerngewerke > 80% ihrer Lebensdauer? → Technisch alt.
- GEG-Pflichten offen (z. B. oberste Geschossdecke)? → Handlungsdruck, alt im Sinne von Sanierungsbedarf.
- Energieausweis D-G, reale Heizkosten hoch? → Alt-Niveau im Verbrauch.
- Versicherung verlangt Zuschläge/Ausschlüsse wegen Bauart? → Altbau-Risiken vorhanden.
Häufige Fehler bei der Einordnung:
- Küchen und Böden mit „sanierter Zustand“ verwechseln. Das ist Kosmetik.
- Nur das Baujahr ansehen. Zustand und Dokumente zählen mehr.
- Energieausweis falsch lesen: Verbrauchsausweise hängen am Nutzerverhalten. Bedarfsausweise sind vergleichbarer.
- Heizungstausch ohne Blick aufs GEG: 65%-Pfad rechtzeitig planen, sonst teuer.
Pro-Tipps aus der Praxis:
- „Sanierungsalter“ statt „Kalenderalter“ notieren: Jahr der letzten Kerngewerke pro Gewerk. Das beschreibt den technischen Zustand viel besser.
- Fotodokumentation von Hohlräumen (Dach, Fassade, Kellerdecke) und eine Wärmebild-Aufnahme im Winter helfen, echte Schwachstellen zu sehen.
- Banken lieben klare Sanierungsfahrpläne: Wenn du Finanzierung willst, lege ein 10-Jahres-Programm mit Etappen, Kosten und Einsparungen vor.
- Bei Denkmalschutz prüfen: Sonder-AfA und Steuervergünstigungen möglich - „alt“ wird finanziell interessant.
Mini-FAQ:
- Ab wann ist ein Haus ein „Altbau“? → Im Immobilienmarkt in Deutschland meist Baujahr bis 1949. Juristisch gibt es keine einheitliche „Altbau“-Definition, das GEG spricht von Bestandsgebäuden.
- Gilt ein 1970er-Haus als alt? → Energetisch oft ja (ohne Sanierung). Markt/Label: nein, eher „Bestand“.
- Macht eine Kernsanierung aus einem Altbau ein „neues“ Haus? → Markt: Altbau-Charme bleibt. Technik/Energie: Es kann technisch wie ein jüngeres Haus performen.
- Welche Rolle spielt der Energieausweis? → Er ist Pflicht beim Verkauf/Vermietung und gibt eine grobe Einordnung. Er ersetzt keine Detailprüfung.
- Wie sehen Banken „alt“? → Sie schauen auf die Restnutzungsdauer und Modernisierungen. Ein alter, gut sanierter Bau kann top finanzierbar sein.
- Was zählt beim Finanzamt? → Das Baujahr für die AfA. Bis 1924: 2,5%; ab 1925: 2%; neue Wohngebäude ab 2023: 3%.
Nächste Schritte - je nachdem, was du vorhast:
- Kauf/Verkauf: Sammle alle Nachweise zu Sanierungen (Rechnungen, U-Werte, Typenschilder), Energieausweis bereithalten, Mängelbericht erstellen. So verhinderst du Diskussionen um „alt“.
- Sanieren: Lass einen individuellen Sanierungsfahrplan (iSFP) erstellen. Das sortiert Maßnahmen nach Nutzen/€ und öffnet BEG-Boni.
- Finanzierung: Mit Bank über Beleihungswert und Modernisierungsbudget sprechen. Ein sauberer Kostenplan reduziert Zinsen/Abschläge.
- Versicherung: Bauteile dokumentieren (Dach, Leitungen, Elektro). Prüfe Konditionen bei Tarifen mit Leitungswasserdeckung und Elementarschaden.
- Steuern: AfA-Einstufung mit dem Steuerberater durchgehen, Denkmalschutz und energetische Sonderabschreibungen prüfen.
Kurz gesagt: Wenn du jemanden fragst „Ist dieses Haus alt?“, frage zurück: „Wofür?“ Für Energie ist vor 1977 ohne Sanierung alt. Für den Markt ist vor 1950 Altbau. Für das Finanzamt entscheidet §7 EStG. Für Banken und Versicherungen zählt der Zustand. Pack all das zusammen - dann triffst du saubere Entscheidungen.
Ein letzter Begriffskasten für klare Sprache: Altbau Definition (Markt): Baujahr bis 1949; Bestand: alles, was steht; energetisch alt: unsaniert vor 1977; Bestandsgebäude (GEG): kein Neubau, mit spezifischen Pflichten; AfA-Alt: je nach Baujahr in §7 Abs. 4 EStG.