Ein neues Haus, die Schlüssel in der Hand - und dann: Risse in der Wand, ein undichtes Dach, Schallschutz, der nicht funktioniert. Was jetzt? Wer zahlt? Wer ist schuld? Viele Bauherren denken, dass der Bauunternehmer automatisch alles reparieren muss. Doch die Wahrheit ist komplizierter. In Deutschland regeln das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) und die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B) genau, wer bei Baumängeln haftet - und wer nicht.

Wer haftet für was? Die Grundregeln

Der Bauunternehmer haftet für die Ausführung. Wenn die Dachziegel falsch verlegt sind, die Fenster nicht dicht sind oder die Wände nicht isoliert wurden, wie es in der Planung stand - dann ist er dran. Er muss die Arbeiten nach den anerkannten Regeln der Technik und gemäß den Unterlagen des Architekten ausführen. Fehler bei der Ausführung? Er muss nachbessern - oder bezahlen.

Der Architekt haftet für andere Dinge. Er ist nicht dafür verantwortlich, dass der Maurer den Zement falsch anrührt. Aber er haftet, wenn er die Pläne falsch gemacht hat, wenn er die Baustelle nicht richtig überwacht hat oder wenn er den Bauherren nicht darüber aufgeklärt hat, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ein Beispiel: Ein Architekt plant ein Dach, das bei starkem Regen und drückendem Grundwasser undicht wird. Er wusste, dass das Gebiet feucht ist, hat aber keine ausreichende Abdichtung vorgesehen. Dann ist er haftbar - selbst wenn der Dachdecker alles richtig gemacht hat.

Der Bauherr, also der Eigentümer, hat auch Pflichten. Er muss Mängel rechtzeitig und schriftlich melden. Er muss dem Bauunternehmer eine angemessene Frist zur Nachbesserung geben - meist mindestens 14 Tage. Er darf nicht einfach loslegen und selbst reparieren, ohne vorher zu fragen. Und er muss alles dokumentieren: Fotos, E-Mails, Protokolle. Ohne Nachweise verliert er fast immer.

Die Verjährungsfrist: Die Zeit läuft - schnell!

Hier liegt ein riesiger Fehler bei vielen Bauherren. Die Verjährungsfrist für Baumängel beträgt fünf Jahre. Und sie beginnt nicht mit dem Einzug. Sie beginnt mit der Abnahme des Gebäudes. Das ist der Tag, an dem der Architekt oder ein Vertreter des Bauherrn sagt: „Alles in Ordnung, wir nehmen das Haus an.“

Viele denken, sie haben fünf Jahre ab Einzug. Das ist falsch. Ein Fall aus der Praxis: Eine Wohnungseigentümergemeinschaft entdeckt nach vier Jahren Schallschutzmängel in den Wänden. Sie klagt auf 500.000 Euro Schadensersatz. Die Klage wird abgewiesen - weil die Abnahme drei Jahre vorher stattgefunden hatte. Die Frist war abgelaufen.

Bei versteckten Mängeln - also solchen, die man bei der Abnahme nicht sehen konnte - beginnt die Frist erst mit der Entdeckung. Aber: Wer behauptet, ein Mangel sei versteckt, muss das beweisen. Ein Riss in der Wand ist kein versteckter Mangel. Ein undichtes Dach unter der Dämmung, das erst nach drei Jahren Wasser sichtbar macht, könnte einer sein. Aber auch hier gilt: Dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren.

Was muss der Architekt wirklich tun?

Die HOAI 2021 hat die Pflichten des Architekten deutlich verschärft. In Leistungsphase 8 (Bauüberwachung) muss er wöchentlich die Baustelle besuchen und alle Mängel protokollieren. Nicht nur notieren - sondern auch schriftlich an den Bauunternehmer und den Bauherrn weiterleiten.

Eine Studie der Bundesarchitektenkammer aus 2023 zeigt: 78 % aller Haftungsfälle gegen Architekten gehen auf unzureichende Dokumentation zurück. Der Architekt sagt: „Ich hab’s gesehen.“ Der Bauherr sagt: „Nein, das steht nirgends.“ Wer gewinnt? Der Bauherr - weil der Architekt keinen Nachweis hat.

Der Architekt muss auch die Mängelursache klären. Wenn ein Mangel auftritt, darf er nicht einfach sagen: „Das ist vom Bauunternehmer.“ Er muss prüfen: War es ein Planungsfehler? Ein Ausführungsfehler? Beides? Er muss objektiv untersuchen - sonst haftet er selbst.

Ein Fall aus der Praxis: Ein Haus hat Risse in den Außenwänden. Der Bauunternehmer sagt: „Das liegt an der Bodenbewegung.“ Der Architekt sagt: „Ich hab’s nicht geplant.“ Der Gutachter findet: Die Fundamente sind zu schwach, weil der Architekt die Bodenverhältnisse falsch eingeschätzt hat. Der Architekt haftet - obwohl der Bauunternehmer die Fundamente gebaut hat.

Architekt zeigt einem Bauarbeiter einen fehlerhaften Dachbau, überlagert mit Original- und Korrekturplänen.

Wie reagiert der Bauherr richtig?

Wenn ein Mangel auffällt, ist die erste Regel: Nicht panisch reagieren.

Schritt 1: Dokumentieren. Machen Sie Fotos von allen Mängeln. Notieren Sie Datum, Ort, Beschreibung. Speichern Sie alle E-Mails und Briefe.

Schritt 2: Den Bauunternehmer informieren. Schreiben Sie eine schriftliche Mängelrüge. Geben Sie ihm eine Frist von mindestens 14 Tagen zur Nachbesserung. Sagen Sie klar: „Ich erwarte die Behebung des Mangels bis zum [Datum].“

Schritt 3: Erst dann den Architekten einschalten. Erst wenn der Bauunternehmer nicht reagiert oder die Nachbesserung fehlschlägt, können Sie den Architekten wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern in Anspruch nehmen. Sie dürfen nicht beide gleichzeitig verklagen - das ist ein häufiger Fehler.

Schritt 4: Ein Gutachten in Auftrag geben. Wenn der Mangel schwerwiegend ist, lassen Sie einen unabhängigen Sachverständigen prüfen. Das kostet Geld - aber ohne Gutachten haben Sie kaum Chancen vor Gericht.

Schritt 5: Nicht selbst reparieren. Wenn Sie selbst loslegen, verlieren Sie Ihren Anspruch auf Schadensersatz. Sie dürfen nur selbst reparieren, wenn der Bauunternehmer die Frist verstreichen lässt und Sie ihn schriftlich darauf hinweisen - und nur, wenn die Reparatur notwendig ist, um Schäden zu verhindern.

Warum scheitern die meisten Fälle?

Die meisten Schadensersatzklagen scheitern nicht an der Rechtslage - sondern an der Dokumentation. Eine Umfrage unter 247 Bauherren ergab: 41 % haben die Fristen für Mängelrügen versäumt. 37 % haben keine schriftliche Kommunikation geführt. 72 % der abgelehnten Ansprüche sind auf fehlende Fotos oder Protokolle zurückzuführen.

Ein Beispiel: Herr Müller zieht in sein neues Haus ein. Nach drei Monaten bemerkt er ein undichtes Dach. Er ruft den Bauunternehmer an - und sagt: „Das Dach ist undicht.“ Der Bauunternehmer sagt: „Ich komme nächste Woche.“

Kein Brief. Kein Datum. Kein Foto.

Nächste Woche kommt der Bauunternehmer nicht. Nach sechs Monaten ruft Herr Müller erneut an. Der Bauunternehmer sagt: „Ich hab’s nicht gewusst.“

Herr Müller hat keinen Nachweis. Kein Anspruch.

Was hätte er tun sollen? Er hätte eine schriftliche Mängelrüge geschickt. Fotos gemacht. Einen Termin für die Reparatur verlangt. Und wenn nichts passiert wäre, hätte er den Architekten eingeschaltet.

Fünf-Jahres-Zähler über einem Haus, umgeben von fallenden Dokumenten und digitalen Datenströmen.

Was ändert sich in Zukunft?

Die Bauwirtschaft wird immer komplexer. Die Zahl der Baugenehmigungen für Wohngebäude stieg 2023 auf über 218.000. Pro Gebäude gibt es durchschnittlich 2,3 Mängel - das sind mehr als 500.000 mögliche Haftungsfälle pro Jahr.

Die Berufshaftpflichtversicherungen für Architekten sind in den letzten fünf Jahren um 34 % gestiegen. Die Prognose: Bis 2027 steigt die Zahl der Streitigkeiten jährlich um 5,2 %. Der Grund: Baukosten steigen, Projekte werden komplexer, und die Anforderungen an Energieeffizienz und Nachhaltigkeit wachsen.

Digitalisierung verändert alles. Building Information Modeling (BIM) wird die Dokumentation revolutionieren. In Zukunft wird jeder Schritt im Gebäude digital erfasst - von der Planung bis zur Fertigstellung. Wer dann einen Mangel behauptet, muss beweisen, dass er nicht in der digitalen Akte steht. Die Nachweislast verschiebt sich - und wer nicht mit der Technik arbeitet, verliert.

Was Sie jetzt tun können

- Lesen Sie Ihre Verträge. Was genau hat der Architekt zugesagt? Was hat der Bauunternehmer übernommen? Nicht alles ist automatisch enthalten.

- Dokumentieren Sie alles. Fotos, E-Mails, Briefe, Termine. Speichern Sie alles. Nutzen Sie eine Cloud oder einen Ordner auf Ihrem Computer.

- Verstehen Sie die Fristen. Die fünf Jahre beginnen mit der Abnahme - nicht mit dem Einzug.

- Vertrauen Sie nicht auf mündliche Zusagen. Alles, was wichtig ist, muss schriftlich stehen.

- Suchen Sie früh einen Fachanwalt. Wenn der Mangel über 10.000 Euro kostet, lohnt sich eine Beratung. Die meisten Anwälte bieten eine Erstberatung für 50-100 Euro an.

Die Haftungsregeln im deutschen Baurecht sind klar - aber nur für die, die sie kennen. Wer sich nicht informiert, zahlt doppelt: einmal für den Mangel, einmal für die Folgen.

Wer haftet bei einem undichten Dach - der Architekt oder der Dachdecker?

Der Dachdecker haftet, wenn er die Dachdeckung falsch ausgeführt hat - etwa weil die Dachziegel nicht richtig verlegt wurden oder die Abdichtung nicht dicht ist. Der Architekt haftet nur, wenn er die Planung falsch gemacht hat - zum Beispiel, wenn er eine Abdichtung vorgesehen hat, die bei den örtlichen Wetterbedingungen nicht ausreicht, oder wenn er die Bauüberwachung vernachlässigt hat und den Mangel nicht bemerkt hat, obwohl er ihn hätte sehen müssen.

Kann ich den Architekten direkt verklagen, ohne den Bauunternehmer zuerst anzusprechen?

Nein. Nach deutschem Baurecht müssen Sie zunächst dem Bauunternehmer eine angemessene Frist zur Nachbesserung setzen - mindestens 14 Tage. Erst wenn er nicht reagiert oder die Nachbesserung fehlschlägt, können Sie den Architekten wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern in Anspruch nehmen. Das gilt auch, wenn der Architekt selbst den Fehler gemacht hat.

Wie lange dauert es, bis Baumängel verjähren?

Die gesetzliche Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre. Sie beginnt mit der Abnahme des Gebäudes - nicht mit dem Einzug. Bei versteckten Mängeln, die bei der Abnahme nicht erkennbar waren, beginnt die Frist erst mit dem Zeitpunkt der Entdeckung. Aber: Sie müssen beweisen, dass der Mangel wirklich versteckt war und nicht leicht hätte erkannt werden können.

Was passiert, wenn ich den Mangel nicht schriftlich melden?

Wenn Sie den Mangel nur mündlich melden oder gar nicht, verlieren Sie Ihren Anspruch auf Schadensersatz. Der Bauunternehmer oder Architekt kann dann sagen: „Ich wusste nichts davon.“ Ohne schriftliche Dokumentation haben Sie kaum eine Chance vor Gericht. Selbst wenn der Mangel offensichtlich ist - ohne Nachweis ist er rechtlich nicht beweisbar.

Muss ich den Architekten bezahlen, wenn er einen Fehler gemacht hat?

Nein. Wenn der Architekt gegen seine Vertragspflichten verstößt - etwa durch unzureichende Planung oder fehlende Bauüberwachung - können Sie das Honorar mindern oder ganz streiken. Sie müssen nicht für seine Fehler bezahlen. In manchen Fällen können Sie sogar Schadensersatz verlangen, wenn der Fehler zu erheblichen Kosten führt. Das gilt auch, wenn der Bauunternehmer den Mangel verursacht hat, aber der Architekt ihn nicht erkannt hat.