Wenn du deine Immobilie verkaufen willst, aber weiterhin in deinem Zuhause wohnen möchtest, ist eine Leibrente eine der wenigen legalen Möglichkeiten, das zu erreichen. Du verkaufst dein Haus oder deine Wohnung, bekommst dafür aber monatlich Geld - und bleibst wohnen. Das klingt nach einer einfachen Lösung. Doch hinter dieser scheinbar einfachen Vereinbarung steckt ein komplexes Geflecht aus Steuervorschriften, rechtlichen Fallstricken und finanziellen Folgen, die viele Senioren überraschen.
Bei einer Leibrente verkaufst du deine Immobilie an einen Käufer - meist eine private Person oder ein Unternehmen - und vereinbarst im Gegenzug, dass du lebenslang eine monatliche Rente erhältst. Du bleibst im Haus wohnen, musst nicht ausziehen, und hast ein regelmäßiges Einkommen. Der Käufer übernimmt die Kosten für Instandhaltung, Steuern und Versicherung, sofern nicht anders vereinbart. Der Verkaufspreis wird also nicht als Einmalzahlung ausgezahlt, sondern in kleine monatliche Raten aufgeteilt, die dich bis zu deinem Tod versorgen.
Das ist besonders attraktiv, wenn du deine Immobilie zwar besitzt, aber kein Geld hast, um deine Lebenshaltungskosten zu decken. Laut Statistiken der Deutschen Rentenversicherung werden 68 Prozent aller Leibrentenverträge von Menschen zwischen 70 und 80 Jahren abgeschlossen. Die meisten haben keine großen Ersparnisse, aber eine wertvolle Immobilie. Die Leibrente verwandelt dieses Vermögen in lebenslanges Einkommen.
Du musst keine Einkommensteuer auf den gesamten Leibrentenbetrag zahlen. Nur ein Teil ist steuerpflichtig - der sogenannte Ertragsanteil. Dieser Anteil hängt strikt von deinem Alter ab, als du die erste Rente bekommst. Das ist entscheidend: Es zählt nicht, wie alt du warst, als du den Vertrag unterschrieben hast, sondern wie alt du warst, als die erste Zahlung eingegangen ist.
Die Finanzämter verwenden eine offizielle Tabelle, die alle zwei Jahre aktualisiert wird. Hier die aktuellen Werte für 2024:
Beispiel: Du bekommst 1.200 Euro Leibrente pro Monat und bist 74 Jahre alt, als die erste Zahlung eingeht. Dein Ertragsanteil beträgt 13 Prozent - also 156 Euro pro Monat. Das ist dein steuerpflichtiges Einkommen. Wenn du sonst keine Einkünfte hast, liegst du unter dem Grundfreibetrag von 11.604 Euro im Jahr (für Alleinstehende 2024) und zahlst gar keine Steuern.
Das ist der große Vorteil gegenüber einer Umkehrhypothek, bei der du zwar Geld bekommst, aber Zinsen zahlst - und der gesamte Kreditbetrag ist steuerfrei, aber nicht als Einkommen. Bei der Leibrente zahlst du nur auf einen kleinen Teil - und hast keine Tilgung.
Der rechtliche Rahmen ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt - besonders in den Paragraphen 194 bis 203. Ein Leibrentenvertrag ist kein normaler Kaufvertrag. Er ist eine Mischform aus Kauf und Lebensversicherung. Deshalb muss er notariell beurkundet werden. Nur so ist er rechtsgültig.
Ein guter Vertrag enthält drei zwingende Elemente:
Ohne Garantiezeit riskierst du, dass dein Käufer nach deinem Tod nicht mehr zahlen muss. Das ist besonders riskant, wenn du eine hohe Rente vereinbart hast. Viele Anbieter werben mit hohen monatlichen Zahlungen - aber ohne Garantiezeit ist das ein gefährliches Spiel.
Das ist der Punkt, den fast alle übersehen: Die Leibrente wird als Einkommen gewertet - und das hat direkte Folgen für Sozialleistungen.
Wenn du Grundsicherung im Alter (Hartz IV für Senioren) beziehst, wird jeder Euro Leibrente 1:1 von deiner Sozialhilfe abgezogen. Ein Beispiel: Du bekommst 850 Euro Leibrente pro Monat. Deine Grundsicherung wird um 850 Euro gekürzt. Du hast zwar mehr Geld auf dem Konto, aber keinen finanziellen Vorteil - und verlierst eventuell auch Ansprüche auf Zuschüsse für Heizkosten, Medikamente oder Pflege.
Zusätzlich sinkt dein Schonvermögen von 100.000 Euro auf nur noch 50.000 Euro. Das bedeutet: Wenn du zusätzlich 60.000 Euro auf dem Konto hast, wirst du die Grundsicherung verlieren - auch wenn du deine Immobilie verkauft hast.
Ein Nutzer aus dem Forum Finanzen.net beschreibt es so: „Ich dachte, ich gewinne. Tatsächlich habe ich nur meine Sozialhilfe verloren. Die Leibrente hat mich nicht reicher gemacht - nur arm an Unterstützung.“
Ein solcher Vertrag ist kein Schnäppchen. Du brauchst einen Fachanwalt für Erbrecht, der den Vertrag aufsetzt - und einen Notar, der ihn beurkundet. Die Kosten liegen zwischen 1.200 und 1.800 Euro, je nach Komplexität und Wert der Immobilie.
Du musst auch mit den Kosten des Käufers rechnen. Viele Anbieter ziehen ihre Provision direkt aus dem Verkaufspreis ab. Das bedeutet: Je höher dein Verkaufspreis, desto mehr Geld fließt in die Tasche des Anbieters - nicht in deine Leibrente. Frag immer nach: „Wie viel des Verkaufspreises fließt tatsächlich in meine monatliche Rente?“
Seit Januar 2024 müssen alle gewerblichen Leibrentenanbieter eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz (KWG) haben. Das hat die Zahl der Anbieter von 150 auf 120 reduziert. Aber das ist kein Garant für Sicherheit.
Die fünf größten Anbieter - Deutsche Teilkauf, RentePlusImmobilie, Volksbank Teilverkauf, Immoverkauf24 und DTK - kontrollieren 43 Prozent des Marktes. Das ist kein Zufall. Sie haben die Erfahrung, die Transparenz und die Kapitalstärke, um langfristig zu zahlen.
Prüfe immer:
Trustpilot hat 127 Bewertungen für Leibrentenanbieter - durchschnittlich 3,8 von 5 Sternen. Die häufigsten Kritikpunkte: unklare Berechnungen, keine Inflationsschutzklausel, und zu kurze Garantiezeiten.
Die Bundesregierung prüft eine Verschärfung der Regeln. Laut einem internen Papier des Finanzministeriums vom Oktober 2024 könnte die Leibrente künftig nicht mehr schenkungssteuerfrei sein, wenn du sie vor deinem 70. Lebensjahr abschließt. Das würde viele junge Senioren treffen, die frühzeitig verkaufen wollen.
Auch die Ertragsanteile könnten steigen. Die Lebenserwartung ist in den letzten 20 Jahren um fast drei Jahre gestiegen. Die aktuelle Steuertabelle basiert auf Daten von 2021. Experten wie Dr. Julia Hartmann vom Finanzministerium warnen: „Wenn wir die Staffelung nicht anpassen, verlieren die Finanzämter Milliarden an Steuereinnahmen.“
Das bedeutet: Wer jetzt eine Leibrente abschließt, profitiert von den günstigen Regeln - aber wer später kommt, zahlt mehr.
Wenn du eine Garantiezeit von 15 Jahren vereinbart hast, zahlt der Käufer die Rente auch nach deinem Tod an deine Erben - bis die 15 Jahre um sind. Danach endet die Zahlung. Du kannst also nicht vererben, was du verkauft hast.
Wenn du keine Garantiezeit vereinbart hast, stirbst du - und die Rente hört auf. Deine Kinder bekommen nichts. Das ist ein großer Verlust, besonders wenn du die Immobilie als Vermögenssicherung für sie geplant hast.
Einige Anbieter bieten „abgekürzte Leibrenten“ an - mit höheren monatlichen Zahlungen, aber nur 15 bis 20 Jahren Laufzeit. Das ist kein Lebenszeitvertrag mehr, sondern eine Rente mit Ablaufdatum. Der steuerpflichtige Anteil liegt dann bei 25 bis 35 Prozent - deutlich höher als bei der klassischen Leibrente.
Die größte emotionale Herausforderung ist nicht das Geld, sondern das Gefühl: Du verlierst die Verfügungsgewalt über dein Zuhause. Du kannst nicht mehr umziehen, nicht mehr verkaufen, nicht mehr vermieten. Du bist Mieter in deinem eigenen Haus - nur ohne Mietvertrag, sondern mit einem Lebensvertrag.
Die meisten, die sich dafür entscheiden, sagen: „Ich wollte nicht ausziehen. Ich wollte nicht mein Haus verlieren. Und ich wollte nicht meinen Kindern die Last geben.“
Das ist legitim. Aber es ist keine einfache Lösung. Es ist eine Abwägung: Freiheit der Wohnung gegen Freiheit der Entscheidung. Sicherheit des Einkommens gegen Verlust der Kontrolle.
Wenn du dich für eine Leibrente entscheidest, tu es bewusst. Lass dich nicht von einem hohen monatlichen Betrag blenden. Prüfe die Garantiezeit. Prüfe die Inflationsschutzklausel. Prüfe die Auswirkungen auf deine Sozialleistungen. Und lass den Vertrag von einem unabhängigen Anwalt prüfen - nicht vom Anbieter.
Denn eine Leibrente ist kein Verkauf. Sie ist ein Lebensvertrag - und der muss gut durchdacht sein.
Nein, die Leibrente ist nicht steuerfrei. Nur der sogenannte Ertragsanteil ist steuerpflichtig - und der liegt je nach Alter zwischen 1 und 18 Prozent der monatlichen Rente. Der Rest ist steuerfrei. Bei 75 Jahren beträgt der steuerpflichtige Anteil 13 Prozent. Wenn du sonst kein Einkommen hast, liegst du oft unter dem Grundfreibetrag und zahlst keine Steuern.
Nur, wenn du eine Rentengarantiezeit vereinbart hast - meist 10 bis 15 Jahre. Wenn du innerhalb dieser Zeit stirbst, zahlt der Käufer die Rente weiter an deine Erben. Ohne Garantiezeit endet die Zahlung mit deinem Tod. Deine Kinder erhalten dann nichts.
Ja, jede Leibrentenzahlung wird 1:1 von der Grundsicherung im Alter abgezogen. Wenn du 800 Euro Leibrente bekommst, verlierst du 800 Euro Sozialhilfe. Zudem sinkt dein Schonvermögen von 100.000 auf 50.000 Euro. Das kann dich von der Grundsicherung ausschließen, auch wenn du vorher berechtigt warst.
Ohne Indexbindung verliert deine Rente mit der Zeit an Wert. Ein Euro heute ist in 20 Jahren weniger wert. Nur 41 Prozent der Anbieter bieten heute indexgebundene Leibrenten an. Wenn du keine Inflationsanpassung vereinbarst, riskierst du, dass du in 10 Jahren mit 1.000 Euro kaum noch leben kannst.
Ein rechts- und steuergerechter Vertrag kostet zwischen 1.200 und 1.800 Euro, inklusive Notar und Anwalt. Das ist ein einmaliger Aufwand, aber notwendig. Viele Anbieter versuchen, dich auf einen günstigen Vertrag zu drängen - aber ein schlechter Vertrag kann dich später teuer kosten.
Ja: Die Umkehrhypothek, der Teilverkauf oder eine klassische Immobilienvermietung. Die Umkehrhypothek ist steuerfrei, aber du zahlst Zinsen und musst das Haus später verkaufen. Der Teilverkauf gibt dir einen Teil des Geldes sofort, aber du verlierst Anteile am Eigentum. Die Leibrente ist die einzige Option, bei der du vollständig verkaufst, aber weiter wohnst - und monatlich Geld bekommst.
Nein, ein Leibrentenvertrag ist lebenslang und nicht kündbar. Du kannst ihn nicht zurücknehmen, nicht verkaufen und nicht umwandeln. Du bist an den Vertrag gebunden - deshalb musst du ihn vorher genau prüfen.
Wenn der Käufer zahlungsunfähig wird, hast du ein großes Problem. Der Vertrag ist ein privater Vertrag - nicht mit der Bundesbank oder einer Bank. Nur Anbieter mit KWG-Erlaubnis müssen Kapitalrücklagen halten. Prüfe daher immer, ob der Anbieter solide ist. Frag nach der Bilanz und ob er von einer Versicherung abgesichert ist.