Stellen Sie sich vor, Sie wollen eine Wohnung verkaufen. Stattdessen von einem Gutachter zwei Wochen auf einen Termin warten, dann eine Stunde lang Fragen beantworten, und am Ende einen Wert bekommen, der vielleicht nicht mal stimmt? Heute geht das anders. Mit einem Klick bekommen Sie in fünf Minuten einen Schätzwert - ohne Mensch, ohne Termin, ohne Papierkram. Das ist das Versprechen von AVMs, den automatisierten Immobilienbewertungsmodellen. Aber funktioniert das wirklich? Und wann ist der Wert noch vertrauenswürdig?
AVM steht für Automated Valuation Model - also ein Computerprogramm, das den Wert einer Immobilie ohne menschlichen Gutachter berechnet. Es nutzt Daten: Kaufpreise von vergleichbaren Wohnungen, Lage, Baujahr, Quadratmeterzahl, Entfernung zur U-Bahn, Schulen, sogar die Anzahl der Parks in der Nachbarschaft. Diese Daten werden mit maschinellem Lernen verarbeitet. Kein Mensch sagt: „Diese Wohnung ist 650.000 € wert.“ Der Algorithmus rechnet es aus - in Sekunden.
Entwickelt wurden diese Systeme in den 1970er-Jahren in den USA, um Hypothekenrisiken zu prüfen. In Deutschland kamen sie erst ab 2015 richtig in Schwung. Warum? Weil die Daten da waren. Die Digitalisierung der Grundbuchämter, die Online-Portale wie ImmobilienScout24 und Immowelt, und die Verfügbarkeit von amtlichen Daten wie der Liegenschaftssteuerkarte machten es möglich. Heute nutzen über 80 % der großen Immobilienfirmen in Deutschland AVMs - nicht als Ersatz, sondern als ersten Filter.
Genauigkeit ist der Schlüssel. Ein AVM, das 10 % danebenliegt, ist nutzlos. Die besten Systeme in Deutschland - Sprengnetter AVM und VALUE AVM - erreichen in Großstädten wie München oder Berlin einen mittleren absoluten Fehler von nur 2,8 %. Das heißt: Bei einer Wohnung, die 700.000 € wert ist, liegt die Schätzung im Durchschnitt nur 19.600 € daneben. Klingt gut, oder?
Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Diese Zahlen gelten nur für Standardwohnungen: 60-100 m², Baujahr zwischen 1950 und 1990, keine Sonderausstattung, keine Sanierungslücken. Sobald die Wohnung einen Balkon hat, einen Keller, eine Tiefgarage oder eine Renovierung aus dem Jahr 2010, wird es schwieriger. Und bei Sonderimmobilien? Altenheim, Hotel, ehemalige Schule, Denkmal? Da steigt der Fehler auf 5-12 %. Ein AVM kann nicht erkennen, ob ein Dachstuhl aus Eichenholz ist oder ob die Fassade aus handgefertigtem Klinker besteht. Es sieht nur Zahlen.
Ein konkretes Beispiel aus Hamburg: Eine 120-m²-Altbauwohnung mit Kernsanierung 2010 wurde von Sprengnetter AVM mit 685.000 € geschätzt - mit einem Konfidenzintervall von ±34.250 €. Der tatsächliche Verkaufspreis lag bei 702.000 €. Also: innerhalb des Bereichs. Aber wenn jemand auf den oberen Wert setzt und ein Kredit beantragt, der auf 720.000 € basiert, läuft er Gefahr, abgelehnt zu werden - obwohl die Wohnung tatsächlich mehr wert ist.
Nicht alle AVMs sind gleich. Drei Anbieter dominieren den deutschen Markt mit 78 % Marktanteil:
Was zählt? Datenaktualität. Wenn eine Wohnung in Berlin-Neukölln im März 2024 für 520.000 € verkauft wurde, aber das AVM erst im Juni die Daten erhält, ist der Wert veraltet. Sprengnetter aktualisiert täglich - das macht den Unterschied.
AVMs sind kein Wundermittel. Sie versagen an drei Stellen:
Und dann ist da noch das „Black-Box“-Problem. Keiner weiß, wie genau das Modell rechnet. Nur zwei der acht getesteten Anbieter geben preis, welche Faktoren wie stark gewichtet werden. Ist die Nähe zur U-Bahn wichtiger als das Baujahr? Oder umgekehrt? Sie bekommen nur das Ergebnis - nicht den Weg dorthin. Das macht es schwer, Fehler zu erklären oder zu korrigieren.
Dr. Frank Bergner von der HWR Berlin sagt klar: „AVMs sind bei Portfoliobewertungen von 500+ Objekten nicht mehr wegzudenken.“ Das ist der Kern: Sie ersetzen nicht den Gutachter - sie entlasten ihn. Ein Makler kann mit einem AVM 100 Wohnungen in einer Stunde filtern - nur die zehn, die sich lohnen, werden dann persönlich begutachtet. Das spart Zeit, Geld und Nerven.
Aber Prof. Dr. Markus Kirchner von der TU München warnt: „Bei reinen AVM-Entscheidungen führt das zu 18,7 % Fehlallokationen.“ Das heißt: Fast jeder fünfte Käufer zahlt zu viel - oder der Verkäufer verkauft zu wenig. Warum? Weil das Modell nicht sieht, dass die Wohnung einen Blick auf den Englischen Garten hat, oder dass die Nachbarschaft sich in zwei Jahren komplett verändert.
Die EBA (European Banking Authority) hat klare Regeln: AVMs dürfen für Kredite über 250.000 € nicht allein verwendet werden. Manuelle Prüfung ist Pflicht. Das ist kein Zufall. Es geht um Risiko. Und Risiko will niemand haben.
Die Deutsche Wohnen hat 2023 12.000 Wohnungen in Berlin mit VALUE AVM bewertet. Die Vorlaufzeit für Transaktionen sank von sechs auf zwei Wochen. Das ist der Erfolg: Massenbewertung mit hoher Geschwindigkeit. Aber sie haben einen klaren Prozess: Alle AVM-Werte mit einer Abweichung von mehr als 5 % werden von einem Sachverständigen geprüft. Das ist der Schlüssel. AVM als Filter - nicht als Entscheider.
Ein Makler in Frankfurt berichtet auf Reddit: „Mit Sprengnetter AVM halte ich 70 % der Gespräche über Wertentwicklung statt über Provision.“ Das ist der wahre Nutzen: Der Kunde vertraut einem Zahlenwert, nicht einem Versprechen. Der Makler wird zum Berater - nicht zum Verkäufer.
Ein Mittelstandsunternehmen, das 2024 ein Sanierungsobjekt in Leipzig mit einem AVM bewertete, scheiterte beim Kredit. Warum? Weil das Modell nicht wusste, dass die Fassade unter Denkmalschutz steht - und die Sanierungskosten deshalb doppelt so hoch waren. Kein AVM erkennt das. Nur ein Mensch, der vor Ort war.
Die Technik entwickelt sich rasant. Sprengnetter hat im April 2025 eine neue Funktion eingeführt: Fotoanalyse. Der Kunde lädt ein paar Bilder der Wohnung hoch - das AVM erkennt mit 89 % Genauigkeit, ob die Küche renoviert ist, ob die Fenster doppelt verglast sind, ob der Boden aus Parkett oder Laminat besteht. Das ist ein großer Schritt. Aber: Es erkennt keine Feuchtigkeitsschäden, keine Risse in der Decke, keine versteckten Leitungen.
Die EU plant bis 2026 verbindliche AVM-Standards für Kreditvergabe. Das wird die Qualität heben - aber auch die Kosten. Und das neue Open-Data-Portal des BMI, das seit November 2024 1,2 Millionen Transaktionsdaten pro Quartal bereitstellt, wird die Genauigkeit weiter steigern.
Aber es bleibt ein Problem: In Neubaugebieten wie Berlin-Heinersdorf fehlen 74 % der Referenzobjekte. Wer baut dort, der baut für die Zukunft - aber das AVM rechnet mit der Vergangenheit. Das ist der Widerspruch.
Wenn Sie eine Wohnung verkaufen: Nutzen Sie ein AVM - aber nicht als Endgültigkeit. Geben Sie den Wert als Orientierung. Vergleichen Sie mindestens zwei Systeme. Wenn sich die Ergebnisse um mehr als 8 % unterscheiden, ist etwas faul - dann holen Sie einen Gutachter.
Wenn Sie kaufen: Verlassen Sie sich nicht auf die Schätzung im Online-Portal. Prüfen Sie, ob es sich um ein AVM handelt - und ob der Anbieter vertrauenswürdig ist. Fragten Sie: „Ist das ein Sprengnetter- oder VALUE-Wert?“ Wenn der Makler nicht weiß, was das ist, ist das ein Warnsignal.
Wenn Sie ein Unternehmen sind: Nutzen Sie AVMs, um Ihre Portfolios zu scannen. Aber: Setzen Sie eine Prüfschwelle von 5 % ein. Und: Dokumentieren Sie jeden Schritt. Denn im Fall eines Streits - und die werden zunehmen - brauchen Sie Nachweise.
AVMs sind kein Ersatz für Erfahrung. Sie sind ein Werkzeug. Und wie jedes Werkzeug: Nutzen Sie es richtig, und es macht Ihr Leben leichter. Missbrauchen Sie es, und es bringt Sie in Schwierigkeiten.
Ja - aber nur als Vorprüfung. Banken dürfen AVMs für Kredite über 250.000 € nicht allein nutzen. Sie brauchen immer eine manuelle Prüfung durch einen Sachverständigen. Ein AVM kann helfen, den Prozess schneller zu machen, aber nicht ersetzen.
Das hängt von Ihrem Bedarf ab. Für Wohnungen in Großstädten ist Sprengnetter AVM am präzisesten (2,5 % Fehler) und hat die aktuellsten Daten. Für Gewerbeobjekte oder wenn Ihre Bank spezifische Anforderungen hat, ist VALUE AVM die sicherere Wahl - erfüllt alle EBA-Richtlinien. PriceHubble ist gut, wenn Sie mehrere Länder abdecken müssen.
Weil AVMs nur vergleichbare Verkäufe berücksichtigen. Wenn Ihre Wohnung einen einmaligen Blick, eine seltene Ausstattung oder eine starke Renovierung hat, die nicht in den Daten erfasst ist, kann das Modell das nicht erfassen. Ein Pool, ein Dachgarten oder ein historisches Treppenhaus - das zählt nicht, wenn kein anderes Objekt das hat. Dann liegt der Wert unter dem tatsächlichen Wert.
Ja - aber nur, wenn es sich um einen Standard-Altbau handelt: Baujahr 1950-1980, keine Denkmalschutzauflagen, keine tiefgreifenden Sanierungen. Bei besonders alten oder geschützten Gebäuden ist der Fehler oft über 8 %. Hier ist ein Sachverständiger unverzichtbar.
Einzelne Schätzungen kosten zwischen 10 und 15 € pro Objekt, aber meistens gibt es nur Pakete: ab 500 Objekten/Jahr. Für Makler oder kleine Unternehmen lohnt sich das kaum. Für große Portfolios oder Banken ist es eine Kostensenkung von bis zu 93 % im Vergleich zu manuellen Gutachten.
Nein. Der Wert eines AVM ist eine Schätzung - kein rechtlich bindender Gutachterwert. Die Haftung bleibt beim Nutzer. Ein Anbieter wie VALUE AG wurde 2024 vor dem LG Köln verklagt, weil ein Kunde auf den AVM-Wert vertraute und einen Verlust hatte. Das Gericht entschied: Der Nutzer trägt die Verantwortung, wenn er den Wert als verbindlich ansieht.
AVMs? Ach komm, das ist doch nur Big Data mit einem Hauch von KI-Propaganda! Wer glaubt noch, dass ein Algorithmus erkennt, ob die Nachbarin jeden Samstag einen Grillabend veranstaltet und das den Wert senkt? Die Daten sind manipuliert, die Algorithmen sind geheim, und die Banken nutzen das, um uns alle abzuziehen. Ich hab mal einen Wert von 800k bekommen – die Wohnung war 1,2 Mio wert. Wer hat das bezahlt? Die Bank. Wer zahlt später? Wir. Und die Regierung schaut zu. 🤡
Ohhhhh, hier kommt wieder der typische „Ich-verstehe-die-Technik-nicht-und-deshalb-ist-sie-böse“-Post… 😭
AVM sagt 685k, echter Preis 702k – das ist ein Fehler von 2,4 %, nicht „die Welt ist untergegangen“! Und du hast keine Ahnung, wie viele Gutachter einfach „nach Gefühl“ schätzen und dann 100k zu viel verlangen?!
Wenn du deine Wohnung verkaufst und ein AVM sagt „700k“, dann nimm’s als Startpunkt – nicht als Endgültigkeit! Aber bitte, lass die „Menschliche Intuition“ von jemandem machen, der letztes Jahr drei Wohnungen verkauft hat und immer noch denkt, „Balkon = +50k“… 🙄
Ich hab das auch mal ausprobiert – mit Sprengnetter und VALUE – und war echt überrascht, wie nah die Werte dran waren 😊
Meine 75m²-Wohnung in Köln wurde mit 415k geschätzt, hab sie dann für 420k verkauft. Kein Mensch hat mir gesagt, dass das so knapp sein würde!
Ich hab dann noch einen Gutachter hinzugezogen – der hat 418k gesagt. Also: AVM als ersten Filter, dann Mensch. So einfach! 🙌
Und ja, bei Denkmälern oder Sonderbauweisen ist es schwierig… aber das weiß doch jeder, der schon mal in einem Altbau gewohnt hat. Die Technik ist nicht perfekt – aber sie ist ein Riesenfortschritt! 💪
Interessant, dass die Datenaktualität als kritischer Faktor hervorgehoben wird – besonders in dynamischen Märkten wie Frankfurt, wo die Preisbewegungen monatlich >1% betragen.
Die Korrelation zwischen Transaktionsfrequenz und Modellgenauigkeit ist exponentiell, nicht linear. Das bedeutet: In Gebieten mit niedriger Transaktionsdichte (z.B. ländliche Räume) steigt die Varianz der Residuen signifikant – was die EBA-Richtlinien für Kredite über 250k explizit adressieren.
Was ich nicht verstehe: Warum wird die Fotoanalyse als „großer Schritt“ bezeichnet, wenn die Feature-Extraktion immer noch auf visuelle Indikatoren (Parkett, Renovierung) beschränkt bleibt, und keine strukturellen oder hygroskopischen Parameter erfasst werden? Das ist ein „shallow learning“-Ansatz – nicht „deep“.
Und wer sagt, dass „Denkmalschutz“ nicht in den Daten enthalten ist? Die Kulturdenkmalliste ist öffentlich – das ist ein Datenintegration-Problem, kein Algorithmus-Problem.
AVM ist kein Ersatz für einen Gutachter
Ich find’s cool, dass die EBA das so klar regelt – weil es ja wirklich um Risikosteuerung geht. Ich hab letztes Jahr einen Kredit abgelehnt bekommen, weil das AVM den Wert zu hoch angenommen hatte. Der Gutachter vor Ort hat dann festgestellt, dass die Fassade unter Denkmalschutz steht – und die Sanierungskosten doppelt so hoch wären wie gedacht. Ohne Mensch wäre das eine Katastrophe geworden.
AVM ist wie ein Navigator: Sagt dir, wo du hinfährst – aber du musst selbst auf die Straße schauen. 🚗💨
Ich komme aus Norwegen – hier nutzen wir AVMs auch, aber mit mehr Transparenz. Die Algorithmen sind Open Source, und die Daten werden von der staatlichen Liegenschaftsbehörde veröffentlicht. Keine Black Box. Keine Geheimnisse.
Warum kann das in Deutschland nicht sein? Weil die Anbieter Angst haben, dass man ihre Modelle hackt? Oder weil sie Geld mit Geheimhaltung verdienen?
Ich verstehe, dass es komplex ist – aber Transparenz wäre der nächste große Schritt. Nicht nur schneller, sondern auch fairer.
Ich arbeite in der Immobilienbranche und nutze AVMs täglich – und ich kann sagen: Sie sparen uns wahnsinnig viel Zeit. Wenn ich 20 Wohnungen prüfen muss, schaue ich erst auf die AVM-Werte. Nur wenn sie auffallen – zu hoch, zu niedrig, oder stark abweichend – dann gehe ich hin und schaue mir das persönlich an.
Es ist wie ein Filter. Ein superguter Filter. Und wenn du dich auf den Wert verlässt, ohne zu prüfen, ob er von Sprengnetter oder von einer dubiosen Website kommt – dann ist das dein Problem, nicht das der Technik. 😊
Ich find’s krass, dass hier so viele Leute sagen „AVM ist toll“ – aber keiner fragt, wer die Daten liefert? Wer hat entschieden, dass „Entfernung zur U-Bahn“ wichtiger ist als „Lärmpegel in der Nacht“? Wer hat gesagt, dass „Baujahr 1970“ gleich „gut“ ist? Und warum werden Sanierungen aus dem Jahr 2010 als „Standard“ gewertet, aber nicht die Qualität der Dämmung? Das ist doch alles willkürlich…
Und dann kommt noch das „Black Box“-Problem…
Ich will keine Schätzung. Ich will eine Erklärung. Und die gibt es nicht. Also: Kein Vertrauen. Punkt.
Die hier diskutierte Frage ist nicht, ob AVMs funktionieren – sondern ob sie ethisch und rechtlich verantwortbar eingesetzt werden. Die EBA-Richtlinien sind ein erster Schritt, aber sie reichen nicht aus. Die Haftungsfrage bleibt ungelöst: Wer haftet, wenn ein Algorithmus einen Kunden in eine falsche Investition treibt? Die Bank? Der Anbieter? Der Nutzer, der den Wert als verbindlich interpretiert?
Ein weiterer Punkt: Die Datenbasis ist nicht repräsentativ. In ländlichen Regionen oder bei sozialen Wohnungsbauprojekten sind die Transaktionsdaten lückenhaft – das führt zu systematischen Verzerrungen. Diese Verzerrungen werden dann durch maschinelles Lernen verstärkt, weil das Modell lernt, was es sieht – nicht was es nicht sieht.
AVM als Filter – ja. AVM als Entscheidungshilfe – ja. AVM als verbindliche Grundlage für Kreditvergabe – nein. Und das sollte in der öffentlichen Debatte klarer werden.
Mai 23 2024
Feb 6 2025