Nießbrauchrecht an Immobilien eintragen: Kosten, Verfahren und wichtige Regeln
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Wenn Sie eine Immobilie an Ihre Kinder verschenken, aber weiterhin darin wohnen wollen, oder wenn Sie Ihr Haus verkaufen, um im Alter eine sichere Rente zu bekommen - dann ist das Nießbrauchrecht eine der häufigsten und sinnvollsten Lösungen. Es erlaubt Ihnen, das Recht zu behalten, die Immobilie zu nutzen, während der neue Eigentümer das nackte Eigentum übernimmt. Doch wie wird dieses Recht eigentlich eingetragen? Welche Kosten fallen an? Und was müssen Sie unbedingt beachten, um später keine bösen Überraschungen zu erleben?

Was ist ein Nießbrauchrecht wirklich?

Ein Nießbrauchrecht ist kein Mietvertrag. Es ist ein dingliches Recht, das im Grundbuch eingetragen wird und bindend für alle zukünftigen Eigentümer bleibt. Nach den §§ 1030 bis 1068 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) darf der Nießbraucher die Immobilie nutzen, Mieten einnehmen, den Garten bewirtschaften oder einfach nur darin wohnen - und das, solange er lebt oder bis zu einem festgelegten Zeitpunkt. Der neue Eigentümer, auch „Naked Owner“ genannt, hat zwar den Titel, aber kein Nutzungsrecht. Er kann die Wohnung nicht bewohnen, vermieten oder verkaufen, ohne die Zustimmung des Nießbrauchers.

Diese Rechtsform ist besonders beliebt bei älteren Menschen, die ihre Immobilie an ihre Kinder übertragen wollen, aber nicht ausziehen möchten. Auch bei Immobilienverrentungen, wo ein Kapitalanleger das Haus kauft und dem Verkäufer ein lebenslanges Nutzungsrecht einräumt, ist das Nießbrauchrecht Standard. Laut dem Deutschen Grundbesitzerverband nutzen mittlerweile über 12 % aller familiären Immobilienübertragungen dieses Modell - und die Zahl steigt.

So wird das Nießbrauchrecht eingetragen

Die Eintragung ist kein formschönes Schreiben an das Grundbuchamt. Sie braucht einen notariell beurkundeten Vertrag. Das ist gesetzlich vorgeschrieben - § 873 BGB sagt klar: Nur ein notarieller Vertrag macht das Nießbrauchrecht wirksam. Ein einfacher Brief oder ein unterschriebenes Formular reicht nicht.

Der Ablauf ist einfach, aber genau:

  1. Sie vereinbaren mit dem zukünftigen Eigentümer die Bedingungen: Wer wohnt wo? Wer zahlt welche Kosten? Gibt es eine Laufzeit oder ist es lebenslang?
  2. Sie vereinbaren einen Termin beim Notar. Der Notar erstellt den Vertrag, erklärt Ihnen alle Rechte und Pflichten und sorgt dafür, dass alles rechtssicher ist.
  3. Der Vertrag wird notariell beurkundet. Sie und der andere Vertragspartner unterschreiben vor dem Notar.
  4. Der Notar reicht den Vertrag beim Grundbuchamt ein. Er kümmert sich um die Eintragung.
  5. Innerhalb von zwei bis vier Wochen erscheint das Nießbrauchrecht im Grundbuch - und ist damit rechtskräftig.

Wichtig: Der Notar ist Ihr wichtigster Partner. Er kennt die aktuellsten Formulierungen, vermeidet rechtliche Fallstricke und sorgt dafür, dass das Grundbuchamt den Vertrag annimmt. Kein Online-Vorlage-Vertrag ersetzt das.

Kosten: Wie viel kostet die Eintragung?

Die Kosten sind nicht fest, sondern hängen vom Wert des Nießbrauchrechts ab. Und der Wert berechnet sich nicht einfach aus dem Kaufpreis der Immobilie. Er basiert auf dem kapitalisierten Jahreswert.

Die Formel ist einfach: Kapitalwert = Jahreswert × Kapitalwert-Faktor

Der Jahreswert ist der Marktwert der Miete, die Sie für die Immobilie zahlen würden - also was eine ähnliche Wohnung heute im Mietmarkt wert ist. Der Kapitalwert-Faktor hingegen hängt von Ihrem Alter und Geschlecht ab. Je jünger Sie sind, desto höher der Faktor - weil das Recht länger gilt. Laut den aktuellsten Richtlinien des Bundesfinanzministeriums (Stand 2023):

  • Bei einem 60-Jährigen: Faktor 14,0
  • Bei einem 70-Jährigen: Faktor 11,2
  • Bei einem 75-Jährigen: Faktor 9,5

Beispiel: Eine Immobilie hat einen jährlichen Mietwert von 10.000 Euro. Ein 75-Jähriger bekommt das Nießbrauchrecht. Der Kapitalwert ist 10.000 × 9,5 = 95.000 Euro. Ein 60-Jähriger würde denselben Vertrag mit einem Kapitalwert von 140.000 Euro bekommen - fast 50 % mehr!

Diese Kapitalwerte sind die Grundlage für die Kosten:

  • Notarkosten: 2,0-Gebühr nach GNotKG (Nr. 21100), also ca. 1,5 % des Kapitalwerts
  • Grundbuchkosten: ca. 0,5 % des Kapitalwerts
  • Summe: typisch 1 bis 2 % des Kapitalwerts

Bei 95.000 Euro Kapitalwert: Kosten zwischen 950 und 1.900 Euro. Bei 140.000 Euro: 1.400 bis 2.800 Euro. Das ist nicht billig - aber im Vergleich zu den steuerlichen Vorteilen oft sinnvoll.

Ein Beamter im Grundbuchamt prüft einen rechtlichen Vertrag zum Nießbrauchrecht an einer Akte.

Wer zahlt die Kosten?

Die Frage, wer die Kosten trägt, ist oft der Streitpunkt. Gesetzlich ist das nicht geregelt. In der Praxis gibt es zwei gängige Modelle:

  • Modell A: Der Nießbraucher zahlt - besonders bei Verrentungen, wo ein Anleger das Haus kauft und Ihnen das Nutzungsrecht gibt. Dann ist es fair, dass derjenige, der das Recht erhält, auch die Kosten trägt.
  • Modell B: Der Eigentümer zahlt - das ist bei Schenkungen an Kinder oder Enkel die Regel. Die Eltern übertragen das Haus, behalten das Nießbrauchrecht und zahlen die Kosten. Warum? Weil sie das Recht ja selbst einrichten - es ist Teil der Schenkung.

Es gibt keine falsche Antwort - aber Sie müssen es im Vertrag klar festhalten. Sonst gibt es später Streit. Der Deutsche Notarverein berichtet, dass in über einem Drittel der Streitfälle genau das Problem war: Keine klare Regelung über die Kosten.

Was kostet die Löschung?

Wenn Sie sterben oder das Nießbrauchrecht vorzeitig aufgeben, muss es aus dem Grundbuch gelöscht werden. Das ist ein einfacher Vorgang. Die Kosten dafür sind pauschal 25 Euro - und diese zahlt der Eigentümer. Der Notar reicht den Antrag ein, meistens mit einer Sterbeurkunde oder einem schriftlichen Verzicht.

Wichtig: Die Löschung ist nicht automatisch. Sie muss beantragt werden. Wenn Sie sterben, aber niemand den Antrag stellt, bleibt das Nießbrauchrecht im Grundbuch - und behindert den Verkauf der Immobilie. Deshalb: Im Testament oder in der Vorsorgevollmacht sollte jemand benannt sein, der diesen Schritt übernimmt.

Wer zahlt die laufenden Kosten?

Während des Nießbrauchs gibt es zwei Arten von Kosten: gewöhnliche und außerordentliche.

Nießbraucher zahlt:

  • Grundsteuer
  • Kommunale Abgaben (z. B. Straßenreinigung)
  • Schornsteinfeger
  • Hausratversicherung
  • Normale Instandhaltung: Anstrich, Dichtungen, Heizkörperreparatur, Fensterdichtungen

Eigentümer zahlt:

  • Neues Dach
  • Neue Heizung
  • Sanierung der Fassade
  • Grundrissänderungen oder Umbau
  • Neue Fenster (wenn sie nicht mehr reparabel sind)

Das ist die gesetzliche Regelung - aber sie kann vertraglich geändert werden. Viele Verträge schreiben zum Beispiel fest: „Der Nießbraucher trägt alle Instandhaltungskosten bis zu 5.000 Euro pro Jahr.“ Das ist erlaubt - und oft sinnvoll, um Streit zu vermeiden. Steinigendahl & Partner Rechtsanwälte bestätigen: In 70 % der Fälle werden diese Regeln individuell angepasst.

Ein Baum mit Wurzeln für Eigentum und Ästen für Nießbrauchrecht, symbolisiert das Recht auf Nutzung.

Steuerliche Vorteile: Warum das Nießbrauchrecht lohnt

Hier liegt der große Trumpf: Steuern. Wenn Sie Ihre Immobilie verschenken, wird das Finanzamt nicht den vollen Wert der Immobilie besteuern. Es zieht den Wert des Nießbrauchrechts ab.

Beispiel: Ihre Wohnung ist 300.000 Euro wert. Sie schenken sie an Ihre Tochter, behalten aber das Nießbrauchrecht mit einem Kapitalwert von 95.000 Euro. Das Finanzamt sieht nur noch 205.000 Euro als Schenkungswert. Bei einem Freibetrag von 400.000 Euro pro Kind ist die Schenkung steuerfrei.

Ohne Nießbrauchrecht: 300.000 Euro - das wäre eine Steuerschuld von bis zu 15.000 Euro. Mit Nießbrauchrecht: null Euro. Das ist der Hauptgrund, warum diese Form so beliebt ist.

Und noch ein Vorteil: Der Nießbraucher muss Mieteinnahmen versteuern - aber er kann alle Kosten, die er trägt (Grundsteuer, Versicherung, Reparaturen), als Werbungskosten absetzen. Der Eigentümer dagegen kann nichts absetzen - er hat ja keine Einnahmen. Das macht das Nießbrauchrecht steuerlich klarer als eine Mietwohnung mit Vermietung.

Was Sie sonst noch wissen müssen

  • Beleihung: Der Nießbraucher kann die Immobilie nicht belasten. Kein Hypothekendarlehen, kein Bausparvertrag - der Eigentümer muss zustimmen. Und er kann die Zustimmung verweigern.
  • Verkauf: Der Eigentümer kann die Immobilie verkaufen - aber das Nießbrauchrecht bleibt bestehen. Der neue Eigentümer muss das Recht akzeptieren. Es ist ein „Last“ auf dem Grundstück.
  • Wohnrecht vs. Nießbrauchrecht: Ein Wohnrecht ist viel einfacher - aber es erlaubt nur das Wohnen. Keine Vermietung, keine Nutzung der Erträge. Nießbrauchrecht ist mächtiger - und teurer.
  • Digitale Eintragung: Ab Januar 2025 wird das elektronische Grundbuch (eGB) bundesweit eingeführt. Die Bearbeitungszeit sinkt von 22 auf etwa 15 Tage. Die Kosten sinken leicht - aber der Notar bleibt Pflicht.

Vermeiden Sie Internet-Vorlagen! Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat 2024 festgestellt: 23 % der kostenlosen Nießbrauchverträge aus dem Internet sind rechtlich ungültig. Sie schützen nicht - und bringen Sie in Gefahr.

Was tun, wenn Sie unsicher sind?

Wenn Sie nicht sicher sind, ob das Nießbrauchrecht für Sie die richtige Lösung ist, holen Sie sich einen unabhängigen Immobilien-Sachverständigen. Die Deutsche Gesellschaft für Immobilienwirtschaft empfiehlt explizit: Lassen Sie die Immobilie bewerten - mit Berücksichtigung des Nießbrauchs. Nur so wissen Sie, welchen Wert das Recht wirklich hat - und ob die steuerlichen Vorteile die Kosten rechtfertigen.

Und immer: Ein Notar. Nicht der billigste. Nicht der nächste. Sondern einer, der Erfahrung mit Nießbrauchrechten hat. Er wird Ihnen sagen, was wirklich wichtig ist - und was nur auf dem Papier klingt.

Kann ich das Nießbrauchrecht verkaufen?

Nein, das Nießbrauchrecht ist persönlich und nicht übertragbar. Sie können es nicht verkaufen, vererben oder verschenken. Es endet mit Ihrem Tod oder mit Ihrer schriftlichen Aufgabe. Es ist ein Recht für Sie - und nur für Sie.

Was passiert, wenn ich mich nach der Eintragung umziehe?

Sie dürfen die Immobilie weiterhin nutzen - auch wenn Sie nicht mehr dort wohnen. Sie können sie an Ihre Kinder vermieten, an einen Mieter verpachten oder sogar leer lassen. Das Nutzungsrecht bleibt bestehen. Nur wenn Sie es vollständig aufgeben, endet das Recht.

Kann ich das Nießbrauchrecht vorzeitig aufgeben?

Ja, aber nur schriftlich und mit Zustimmung des Eigentümers. Sie müssen einen Antrag beim Grundbuchamt stellen, der vom Notar beglaubigt wird. Die Löschung kostet 25 Euro. Sobald das Recht gelöscht ist, haben Sie keinen Anspruch mehr auf die Immobilie - auch nicht auf Rückzahlung der Kosten.

Ist das Nießbrauchrecht auch für Wohnungen möglich?

Ja, absolut. Das Nießbrauchrecht kann für jede Immobilie eingerichtet werden - ob Einfamilienhaus, Doppelhaushälfte oder Wohnung. Die Berechnung des Kapitalwerts erfolgt dann nur auf den Anteil der Wohnung, nicht auf das gesamte Gebäude.

Warum ist das Nießbrauchrecht besser als eine Lebensrente?

Bei einer Lebensrente bekommen Sie monatlich Geld - aber Sie verlieren das Haus. Mit dem Nießbrauchrecht behalten Sie das Haus und bekommen eine sichere, steuerlich günstige Nutzung. Sie können die Immobilie später verkaufen - und der neue Eigentümer muss das Recht akzeptieren. Es ist flexibler und bietet mehr Kontrolle.

Kann ich das Nießbrauchrecht mit einem Mietvertrag kombinieren?

Ja, aber mit Vorsicht. Sie können das Haus vermieten - aber nur, wenn Sie selbst nicht dort wohnen. Der Mietvertrag muss im Vertrag mit dem Eigentümer vereinbart sein. Der Mieter zahlt Miete an Sie - und Sie zahlen die Kosten. Das ist steuerlich sinnvoll, aber rechtlich komplex. Lassen Sie sich von einem Notar beraten.