Beim Immobilienverkauf ist die Zeit zwischen der ersten Besichtigung und dem endgültigen Kaufvertrag eine der gefährlichsten Phasen. Viele Verkäufer und Käufer glauben, dass eine einfache Reservierungsvereinbarung oder ein unterschriebener Zettel genügt, um das Objekt sicher zu sichern. Doch das ist ein Trugschluss. In Österreich und Deutschland haben sich in den letzten Jahren Dutzende von Rechtsstreitigkeiten genau um diese scheinbar harmlosen Absprachen gedreht. Wer hier nicht aufpasst, verliert nicht nur Geld - er verliert auch die Immobilie.
Ein Vorvertrag ist kein bloßes Versprechen. Er ist ein vollständig rechtlich bindender Vertrag, der beide Parteien verpflichtet, den endgültigen Kaufvertrag zu einem späteren Zeitpunkt abzuschließen - unter genau festgelegten Bedingungen. Das bedeutet: Der Kaufpreis, die Adresse, die Einlieferungsfrist, die Finanzierungsbedingungen - alles ist schriftlich fixiert. Und das Wichtigste: Er muss notariell beglaubigt werden. Nur dann hat er volle Rechtskraft.
Wenn der Verkäufer danach abspringt, kann der Käufer vor Gericht ziehen und den Vertrag erzwingen. Ein Fall aus Linz aus dem Jahr 2024 zeigt, wie das funktioniert: Ein Käufer hatte einen notariellen Vorvertrag unterschrieben, dann wurde ihm der Kredit verweigert. Der Verkäufer versuchte, das Objekt an einen anderen Interessenten zu verkaufen. Der Notar hat den Verkäufer dazu verpflichtet, den Vertrag zu erfüllen - nach drei Monaten Prozess. Der Käufer bekam die Wohnung. Kein Geldverlust. Kein Stress. Nur weil er den Vorvertrag richtig gemacht hatte.
Die Kosten für einen notariellen Vorvertrag liegen zwischen 150 und 500 Euro. Das klingt viel, aber im Vergleich zu einem möglichen Verlust von 100.000 Euro oder mehr ist es ein geringer Preis für Sicherheit. Die Bundesnotarkammer bestätigt: Ein notarieller Vorvertrag ist die einzige Form, die Gerichte wirklich durchsetzen.
Die Reservierungsvereinbarung hingegen ist ein Schatten seiner selbst. Sie ist schriftlich, manchmal sogar mit Unterschrift - aber meistens ohne Notar. Sie verspricht: „Wir halten das Haus für dich frei - für zwei Wochen.“ Und dafür verlangt der Makler oft 1.000, 2.000 oder sogar 5.000 Euro Reservierungsgebühr.
Doch hier liegt das Problem: In der Praxis ist diese Vereinbarung fast immer unwirksam. Selbst wenn du das Geld bezahlt hast, kann der Verkäufer das Objekt trotzdem an jemand anderen verkaufen. Und du? Du hast kein Recht auf die Wohnung. Du hast nicht einmal einen Anspruch auf Schadensersatz - es sei denn, du kannst beweisen, dass der Verkäufer bewusst getäuscht hat. Und das ist fast unmöglich.
Ein Nutzer aus Graz berichtete im Sommer 2023: „Ich habe 2.000 Euro gezahlt, weil ich den Kredit nicht bekam. Der Makler sagte: ‚Die Vereinbarung ist nicht notariell - das Geld ist weg.‘“ Kein Rechtsanwalt hat ihm helfen können. Denn: Ohne Notar gibt es keine rechtliche Grundlage.
Experten wie Müller-Hof Rechtsanwälte und die Deutsche Notarkammer warnen: Reservierungsgebühren über 1 % des Kaufpreises sind rechtlich fragwürdig. Noch schlimmer: Wenn die Gebühr mehr als 10 % der üblichen Maklercourtage beträgt, wird die Vereinbarung automatisch als versteckter Kaufvertrag gewertet - und müsste dann eigentlich notariell beglaubigt werden. Die meisten Makler ignorieren das. Sie nutzen die Reservierungsvereinbarung als Marketingtrick, um Käufer zu binden - ohne echte Verpflichtung.
Ein anonymes Interview mit einem Makler aus Wien, der seit 15 Jahren in der Branche arbeitet, klärt auf: „Wir nutzen Reservierungsvereinbarungen, weil sie funktionieren. Käufer zahlen - und denken, sie sind gesichert. Dann ziehen sie nicht ab. Wir haben mehr Zeit, den Verkauf vorzubereiten. Und wenn es doch schiefgeht? Kein Problem. Die Vereinbarung ist nicht bindend.“
Das ist kein Einzelfall. Laut internen Schulungsunterlagen von Engel & Völkers Hamburg enthalten bis zu 40 % der Reservierungsvereinbarungen formale Fehler - falsche Formulierungen, fehlende Fristen, unklare Zahlungsbedingungen. Diese Fehler machen die Vereinbarung ungültig. Und der Käufer? Er hat das Geld verloren - und die Wohnung auch.
Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt in ihrem Immobilienreport 2023 fest: 68 % aller Streitigkeiten bei Immobilienkäufen entstehen durch unklare oder fehlerhafte vorvertragliche Absprachen. Die meisten davon sind Reservierungsvereinbarungen.
Das ist der häufigste Fall, der Käufer in die Zwickmühle bringt. Du unterschreibst einen Vorvertrag, bekommst aber keinen Kredit. Was dann?
Ein notarieller Vorvertrag enthält in der Regel eine Finanzierungsklausel. Das bedeutet: Wenn du den Kredit nicht bekommst - und das nachweisen kannst -, kannst du den Vertrag ohne Strafe auflösen. Du verlierst nur die Notarkosten, aber nicht dein Geld. Der Verkäufer muss dir die Kaution zurückzahlen.
Bei einer Reservierungsvereinbarung? Keine solche Klausel. Kein Schutz. Du hast das Geld gezahlt, weil du dachtest, du bist gesichert. Jetzt brauchst du den Kredit nicht mehr - aber das Geld ist weg. Der Makler sagt: „Das war eine Reservierungsgebühr - nicht eine Kaution.“ Und du hast keine Chance.
Ein Fall aus Salzburg: Ein Paar zahlte 3.500 Euro Reservierungsgebühr. Der Kredit wurde abgelehnt. Sie baten um Rückerstattung. Der Verkäufer weigerte sich. Der Notar, den sie konsultierten, sagte: „Das ist kein Vertrag. Sie haben nichts zu verlangen.“
Wenn du Immobilien kaufst oder verkaufst, folge diesen einfachen Regeln - sonst riskierst du alles.
Die Gesetze bewegen sich. Das Bundesministerium für Justiz arbeitet an einer klaren Regelung für vorvertragliche Absicherungen. Der Referentenentwurf vom September 2023 will Reservierungsvereinbarungen strenger kontrollieren - und sie nur noch als vorübergehende, nicht bindende Absprachen zulassen. Dafür soll es ein Musterdokument geben, das alle Makler verwenden müssen.
Die Deutsche Notarkammer hat bereits ein Mustervorvertragsdokument veröffentlicht, das alle rechtlich notwendigen Elemente enthält. Es ist kostenlos verfügbar - und jeder Notar kann es nutzen. Das ist ein klarer Hinweis: Der Staat will, dass du dich mit einem echten Vorvertrag schützt - nicht mit einem Papier, das nichts wert ist.
Prof. Dr. Hans-Jürgen Schmidt von der Universität Köln sagt: „Die Gerichte werden immer restriktiver. Wer heute eine formlose Reservierungsvereinbarung nutzt, spielt mit Feuer.“
Ein Vorvertrag ist nicht teuer. Er ist eine Investition. In Sicherheit. In Ruhe. In Rechtsschutz.
Eine Reservierungsvereinbarung ist ein Marketingtrick. Ein Risiko. Ein Geldverlust, der oft nicht zurückzuerhalten ist.
Wenn du eine Immobilie kaufst - und du willst sie wirklich -, dann hole dir den notariellen Vorvertrag. Keine Ausreden. Keine Kompromisse. Keine Reservierungsgebühr. Nichts, was nicht notariell ist.
Die Immobilie ist die größte Investition deines Lebens. Sichere sie - mit dem richtigen Werkzeug. Nicht mit einem Zettel. Mit einem Vertrag, der auch vor Gericht hält.