Notaranderkonto beim Immobilienkauf: Wann es sinnvoll ist, was es kostet und welche Alternativen es gibt
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Stell dir vor, du hast endlich die perfekte Immobilie gefunden. Der Preis ist fair, die Lage ideal, und du hast den Kredit in der Tasche. Aber dann kommt der Moment, in dem du den Kaufpreis zahlen sollst. Und plötzlich hört du vom Notaranderkonto. Was ist das? Brauchst du das wirklich? Oder ist das nur eine teure Formalität, die den Prozess verlangsamt? Viele Käufer sind verunsichert. Und zu Recht. Denn das Notaranderkonto ist kein Standard - es ist eine Sicherheitsmaßnahme, die nur in bestimmten Fällen sinnvoll ist.

Was ist ein Notaranderkonto wirklich?

Ein Notaranderkonto ist kein normales Bankkonto. Es ist ein Treuhandkonto, das der Notar für dich und den Verkäufer einrichtet - aber nicht für sich selbst. Der Notar hält das Geld, bis alle Bedingungen des Kaufvertrags erfüllt sind. Das bedeutet: Du zahlst den Kaufpreis nicht direkt an den Verkäufer. Du überweist ihn an das Konto des Notars. Und erst dann, wenn der Notar bestätigt hat, dass du als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen bist und alle bestehenden Grundschulden gelöscht wurden, gibt er das Geld an den Verkäufer frei.

Diese Regelung ist im Beurkundungsgesetz (BeurkG), genauer in § 54a Absatz 2, festgeschrieben. Sie wurde 1991 eingeführt, um Transaktionen sicherer zu machen - besonders wenn mehrere Parteien involviert sind. Der Notar fungiert als neutrale Instanz. Er hat kein Interesse daran, dass einer der beiden Seiten benachteiligt wird. Seine Aufgabe ist es, den Vertrag einzuhalten - und das Geld nur dann freizugeben, wenn alles rechtskonform ist.

Wann ist ein Notaranderkonto sinnvoll?

Nicht jeder Immobilienkauf braucht ein Notaranderkonto. In über 85 % der Fälle in Deutschland wird der Kaufpreis direkt vom Käufer an den Verkäufer überwiesen. Das funktioniert gut - wenn alles einfach ist. Aber was, wenn es kompliziert wird?

  • Du kaufst eine Immobilie, die Teil einer Zwangsvollstreckung ist - etwa weil der Verkäufer zahlungsunfähig ist.
  • Der Verkäufer hat mehrere Finanzierungsquellen - zum Beispiel eine Bank, eine Baufinanzierung und eine private Darlehensvereinbarung mit einem Verwandten.
  • Die Immobilie ist im Erblasserbesitz und wird von mehreren Erben verkauft. Wer bekommt wie viel Geld? Wer haftet, wenn eine Grundschuld nicht gelöscht wird?
  • Der Verkäufer soll die Immobilie vor der Grundbucheintragung räumen - etwa weil er schon in eine neue Wohnung gezogen ist.
  • Es besteht ein Insolvenzrisiko - etwa weil der Verkäufer Schulden hat, die nicht offengelegt wurden.

In diesen Fällen ist das Notaranderkonto eine echte Sicherheit. Es verhindert, dass du als Käufer das Geld zahlt, aber nicht Eigentümer wirst. Und es verhindert, dass der Verkäufer das Geld erhält, aber nicht alle Belastungen löscht - etwa weil er das Geld einfach verschwinden lässt.

Ein realer Fall aus der Praxis: Ein Käufer aus Berlin zahlte über ein Notaranderkonto. Kurz vor der Eintragung stellte sich heraus, dass der Verkäufer eine zweite Grundschuld unterschlagen hatte. Ohne das Konto wäre das Geld bereits beim Verkäufer gewesen - und der Käufer hätte eine teure Rechtsstreitigkeit mit der Bank begonnen. Mit dem Notaranderkonto blieb das Geld sicher, bis die Belastung gelöscht wurde.

Wie viel kostet ein Notaranderkonto?

Es gibt keine einheitliche Preisliste. Die Kosten hängen vom Aufwand des Notars ab - und nicht vom Kaufpreis. Typisch sind 150 bis 300 Euro. Das ist mehr als ein normales Grundbucheintragungsverfahren, aber weniger als eine Bankbürgschaft.

Warum ist das so? Der Notar muss:

  • Das Konto einrichten und verwalten
  • Die Einzahlung prüfen und dokumentieren
  • Die Grundbucheintragung anstoßen und verfolgen
  • Die Löschung aller Belastungen bestätigen
  • Erst dann die Auszahlung veranlassen

Diese Arbeit dauert. Und sie ist aufwendig. Deshalb kostet sie. Aber: Du zahlst nicht für eine Bank, sondern für eine öffentliche Verwaltung, die von der Notarkammer kontrolliert wird. Das ist kein Risiko für dich - das ist ein Schutz.

Ein Schild mit Notaranderkonto schützt vor Schulden und unsicheren Zahlungen, symbolisch dargestellt.

Was sind die Alternativen?

Wenn du kein Notaranderkonto brauchst, gibt es andere Wege, den Kaufpreis sicher zu überweisen:

1. Direktzahlung (Standardfall)

Das ist der Weg, den 85 % aller Käufer wählen. Du überweist den Betrag direkt an den Verkäufer - aber erst, nachdem der Kaufvertrag notariell beurkundet wurde. Der Notar prüft, ob alle Voraussetzungen erfüllt sind, und teilt dir mit, wann du zahlen kannst. Die Risiken sind gering, wenn:

  • Der Verkäufer keine Schulden hat
  • Die Finanzierung einfach ist (eine Bank, ein Darlehen)
  • Beide Parteien vertrauenswürdig sind

Die meisten Banken verlangen heute eine Bestätigung des Notars, bevor sie das Darlehen auszahlen - das macht das Risiko für den Käufer sehr klein.

2. Bankbürgschaft

Manche Banken bieten an, den Kaufpreis als Bürgschaft zu sichern. Das bedeutet: Die Bank garantiert, dass das Geld erst fließt, wenn die Eintragung im Grundbuch steht. Das ist teurer als ein Notaranderkonto - oft 0,5 % bis 1 % des Kaufpreises. Aber es ist eine Option, wenn du keine Notarabwicklung willst.

3. Treuhandkonto bei der Bank

Einige Banken bieten Treuhandkonten an, die ähnlich funktionieren wie das Notaranderkonto. Aber: Sie sind nicht von der Notarkammer kontrolliert. Die Haftung liegt bei der Bank - und die kann pleitegehen. Ein Notaranderkonto ist sicherer, weil es von der öffentlichen Verwaltung geschützt ist.

Warum wird das Notaranderkonto seltener verwendet?

Die Zahl der Notaranderkonten ist in den letzten fünf Jahren um 12 % gesunken. Warum?

  • Bessere Bankensicherheit: Banken haben ihre Prüfprozesse verbessert. Sie verlangen heute oft eine Bestätigung des Grundbuchs, bevor sie auszahlen.
  • Digitalisierung: Seit 2023 können Notare über eine digitale Plattform des Bundes die Grundbuchdaten in Echtzeit abrufen. Das reduziert die Wartezeit und macht das Konto weniger nötig.
  • Vertrauen in Direktzahlung: Die meisten Käufer und Verkäufer vertrauen dem Notar - und sehen keinen Grund, extra zu zahlen.

Die Deutsche Notarkammer sagt: Das Notaranderkonto wird nicht verschwinden. Es wird sich auf die Fälle konzentrieren, in denen es wirklich nötig ist. Bei Erbengemeinschaften, bei Zwangsversteigerungen, bei ausländischen Käufern - da bleibt es unverzichtbar.

Was du als Käufer tun solltest

Wenn du eine Immobilie kaufst, frage deinen Notar nicht: „Brauche ich ein Notaranderkonto?“ Frage stattdessen: „Gibt es ein berechtigtes Sicherungsinteresse?“

Das ist der rechtliche Begriff, der entscheidet. Wenn der Notar sagt: „Nein, kein Sicherungsinteresse“, dann ist ein Notaranderkonto unnötig - und du sparst 200 Euro.

Wenn er sagt: „Ja, hier ist ein Risiko“, dann solltest du es nutzen. Denn ein falscher Kaufpreis ist nicht nur Geld - das ist dein Zuhause. Und wenn du nicht Eigentümer wirst, weil der Verkäufer die Schulden nicht löscht, dann kannst du das Geld nicht zurückholen. Du verlierst nicht nur Geld - du verlierst Zeit, Nerven und Planung.

Ein Tipp: Lass dir vor der Beurkundung alle Grundbucheinträge zeigen. Frag nach allen Belastungen. Lass dich nicht von einem Verkäufer drängen, schnell zu zahlen. Ein guter Notar wird dir immer sagen, ob ein Notaranderkonto sinnvoll ist - und warum.

Zwei Szenen: Links riskante Direktzahlung, rechts sichere Notar-Truhe mit bestätigter Grundschuldlöschung.

Was passiert, wenn es schiefgeht?

Ein Fall aus der Praxis: Ein Verkäufer hatte eine Grundschuld von 120.000 Euro. Er behauptete, sie sei gelöscht. Der Käufer zahlte direkt - und bekam den Schlüssel. Doch zwei Wochen später kam die Bank: „Die Grundschuld ist noch aktiv. Sie müssen zahlen.“ Der Käufer war verpflichtet, die 120.000 Euro zu bezahlen - und musste den Verkäufer verklagen. Der war verschwunden. Kein Notaranderkonto - kein Schutz.

Im Gegensatz dazu: Ein Käufer in Hamburg nutzte das Notaranderkonto. Beim Eintragungsantrag stellte sich heraus: Eine weitere Grundschuld war nicht aufgelöst. Das Geld blieb auf dem Konto. Der Notar verlangte vom Verkäufer die Löschung. Nach drei Wochen war alles erledigt. Der Käufer wurde eingetragen. Das Geld floss. Kein Verlust. Kein Stress.

Wie lange dauert der Prozess?

Ein Notaranderkonto verlängert den Kaufprozess um etwa 10 bis 14 Tage. Warum? Weil der Notar nicht nur den Kaufvertrag abwickelt - er muss auch die Grundbucheintragung abwarten. Das kann dauern. Die Behörden brauchen Zeit. Aber das ist kein Nachteil - das ist Sicherheit.

Im Vergleich: Bei Direktzahlung ist der Prozess schneller. Aber du läufst ein Risiko. Bei Notaranderkonto ist der Prozess langsamer - aber du bist sicher.

Wenn du Zeit hast - nimm die Sicherheit. Wenn du dringend ziehen musst - sprich mit deinem Notar. Vielleicht gibt es eine andere Lösung.

Fazit: Ist das Notaranderkonto für dich das Richtige?

Es ist kein Muss. Es ist eine Wahl. Und diese Wahl sollte auf Fakten beruhen - nicht auf Angst oder Mode.

Wenn du:

  • ein einfaches Kaufgeschäft mit einer Bank hast,
  • der Verkäufer transparent ist,
  • und keine Schulden oder Erbengemeinschaften im Spiel sind,

dann brauchst du kein Notaranderkonto. Direktzahlung ist ausreichend.

Wenn du aber:

  • mehrere Finanzierungsquellen hast,
  • der Verkäufer Schulden hat oder im Erbfall ist,
  • oder du aus dem Ausland kaufst,

dann ist das Notaranderkonto die klügste Entscheidung. Es kostet 200 Euro - und schützt dein gesamtes Investment.

Der Notar ist nicht dein Feind. Er ist dein Schutzschild. Frag ihn, ob er ihn dir anbietet. Und wenn er sagt: Ja, dann sag Ja - auch wenn es teurer ist. Denn am Ende zählt nicht, wie schnell du die Immobilie bekommst. Sondern, ob du sie wirklich besitzt.

Wann ist ein Notaranderkonto Pflicht?

Ein Notaranderkonto ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Es ist eine freiwillige Sicherheitsmaßnahme. Es wird nur eingesetzt, wenn ein „berechtigtes Sicherungsinteresse“ vorliegt - etwa bei mehreren Finanzierungsquellen, Erbengemeinschaften, Zwangsvollstreckungen oder Insolvenzrisiken. Der Notar entscheidet, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Kann ich das Geld vom Notaranderkonto zurückholen, wenn ich den Kauf absage?

Ja. Wenn der Kaufvertrag nicht wirksam wird - etwa weil die Finanzierung nicht zustande kommt oder der Verkäufer nicht alle Bedingungen erfüllt - wird das Geld unverzüglich an dich zurücküberwiesen. Der Notar hält das Geld nur, bis die Vertragsbedingungen erfüllt sind. Er ist nicht berechtigt, es einzubehalten.

Ist ein Notaranderkonto sicherer als eine Bankbürgschaft?

Ja. Ein Notaranderkonto wird von der Notarkammer kontrolliert und ist Teil der öffentlichen Verwaltung. Eine Bankbürgschaft ist ein privater Vertrag - und wenn die Bank pleitegeht, ist deine Sicherheit gefährdet. Das Notaranderkonto ist durch das Beurkundungsgesetz geschützt und bleibt auch bei Bankenpleiten sicher.

Warum sinkt die Zahl der Notaranderkonten?

Weil Banken ihre Sicherheitsprozesse verbessert haben und digitale Grundbuchsysteme die Prüfung schneller machen. Viele Risiken, die früher ein Notaranderkonto erforderten, können heute mit modernen Prüfungen abgedeckt werden. Außerdem vertrauen Käufer und Verkäufer zunehmend auf die Direktzahlung - wenn der Verkäufer vertrauenswürdig ist.

Was passiert, wenn der Verkäufer das Geld nach der Auszahlung nicht für die Löschung der Grundschulden verwendet?

Das ist kein Risiko mehr - denn der Notar zahlt das Geld erst aus, wenn die Löschung bereits bestätigt wurde. Der Notar prüft vor der Auszahlung, ob die Grundschulden aus dem Grundbuch entfernt wurden. Der Verkäufer hat also kein Interesse, das Geld für andere Zwecke zu verwenden - denn er bekommt es nur, wenn alles erledigt ist.

Kommentare (1)

Wellington Borgmann
  • Wellington Borgmann
  • November 28, 2025 AT 07:18

Ich hab letztes Jahr direkt gezahlt und kein Problem gehabt. Notar hat alles geprüft und dann ging es los. Warum mehr Geld ausgeben wenn es nicht nötig ist?

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