Schimmel in einem denkmalgeschützten Haus ist kein einfacher Renovierungsfall. Es geht nicht nur darum, die schwarzen Flecken wegzumachen. Es geht darum, die Substanz eines 150 Jahre alten Gebäudes zu retten - ohne es zu zerstören. Und das ist schwerer, als viele denken. In Deutschland gibt es über 4,2 Millionen denkmalgeschützte Gebäude. Fast jedes dritte davon hat Schimmelprobleme. Doch wenn man falsch vorgeht, wird die Sanierung teuer, ineffektiv - und manchmal sogar schädlicher als der Schimmel selbst.

Warum Schimmel in alten Häusern so schwierig ist

Schimmel wächst nicht, weil jemand nicht putzt. Er wächst, weil die Luftfeuchtigkeit nicht abziehen kann. In modernen Häusern sorgen Dämmung und Lüftungsanlagen dafür, dass Feuchtigkeit nicht an Wänden kondensiert. In alten Häusern ist das anders. Die Wände sind dick - oft 70 cm oder mehr - aber sie sind nicht isoliert. Sie speichern Wärme, aber auch Feuchtigkeit. Wenn man heute moderne, dichte Fenster einbaut, wird die Luft im Raum trockener - aber die Wände bleiben kalt. Und dort, wo kalte Wände auf warme, feuchte Luft treffen, bildet sich Kondenswasser. Und dort wächst Schimmel.

Die größte Falle? Man denkt, man müsse nur den Schimmel entfernen. Doch 47 % aller gescheiterten Sanierungen an Denkmalen scheitern, weil die Ursache nicht angepackt wurde. Es wurde nicht geprüft, ob die Feuchtigkeit von außen kommt - durch kapillaren Aufstieg im Mauerwerk - oder von innen, durch falsche Lüftung oder undichte Anschlüsse. Wer nur den Belag abschält und neu streicht, hat den Schimmel nicht besiegt. Er kommt zurück. Meist schneller.

Was darf man tun? Was ist verboten?

Denkmalschutz bedeutet: Erhalten, nicht ersetzen. Das ist der Leitgedanke. Das bedeutet: Keine Außendämmung, wenn sie das Erscheinungsbild verändert. Und das ist bei fast 90 % der Fälle der Fall. Nur 12 % der denkmalgeschützten Gebäude in Deutschland dürfen eine Außendämmung bekommen. Alles andere muss von innen gemacht werden.

Aber auch Innendämmung ist kein einfaches Kleben von Styropor. Synthetische Dämmstoffe wie Polystyrol oder Polyurethan sind ein No-Go. Sie sind dampfdicht. Sie halten Feuchtigkeit zurück - und lassen sie nicht mehr entweichen. Die Feuchtigkeit sammelt sich hinter der Dämmung, zwischen Dämmplatte und altem Mauerwerk. Dort entsteht ein perfektes Züchtungslabor für Schimmel. Und man sieht es erst, wenn es zu spät ist: Die Putzschicht bröckelt, die Wand ist aufgeweicht, die Holzbalken faulen.

Was funktioniert? Mineralische Dämmstoffe. Speziell Kalziumsilikatplatten und mineralische Dämmplatten aus Kalk, Gips oder Lehm. Diese Materialien sind dampfdurchlässig. Sie nehmen Feuchtigkeit auf - bis zu 300 Gramm pro Quadratmeter - und geben sie wieder ab, wenn die Luft trockener wird. Sie regulieren die Luftfeuchtigkeit im Raum. Sie wirken wie eine natürliche Atemmembran.

Und dann kommt der Putz. Kalkputz ist das Goldstandard. Er hat einen pH-Wert von 12 bis 13 - das ist stark alkalisch. Schimmelpilze überleben das nicht. Kalkputz bindet auch Schadstoffe aus der Luft. Er reinigt. Er heilt. Und er lässt sich reparieren. Wenn eine Stelle abplatzt, kann man sie mit dem gleichen Putz nachbessern - ohne dass es auffällt. Kunststoffputze? Sie haben einen pH-Wert von 7 bis 8. Neutral. Schimmel fühlt sich dort wie zu Hause.

Die richtige Technik: Wie man sanieren muss

Die Sanierung läuft in drei Schritten ab - und in genau dieser Reihenfolge.

  1. Ursachenanalyse: Ein Gutachter misst die Luftfeuchtigkeit, die Wandtemperatur, den Taupunkt. Er prüft, ob Feuchtigkeit aus dem Boden kommt, durch undichte Fenster oder durch kapillare Aufstiegsfeuchtigkeit. Ohne diese Analyse ist jede Sanierung ein Glücksspiel.
  2. Dekontaminierung: Alle befallenen Putz- und Tapetenflächen werden abgeschlagen. Nicht nur die sichtbaren Stellen. Schimmelsporen können bis zu 20 cm tief in den Putz eingedrungen sein. Alles wird unter Absaugung und mit Schutzfolien entfernt. Desinfektion ist nicht das erste Mittel - sie ist das zweite. Die Deutsche Gesellschaft für Schimmelsanierung sagt klar: Entfernen hat Vorrang vor Desinfizieren.
  3. Neubau mit mineralischen Materialien: Dämmplatten werden vollflächig und ohne Luftspalten verklebt. Jeder Hohlraum ist ein Einfallstor für Sporen. Danach kommt ein Grundierungsschicht aus Kalk. Dann der mineralische Putz - mindestens zwei Schichten. Und zum Schluss ein feiner Rotkalk als Schlussbeschichtung. Diese Oberfläche ist leicht zu reinigen, atmungsaktiv und schimmelhemmend.

Wichtig: Die Trocknungszeit ist lang. Mineralische Dämmstoffe brauchen 28 Tage pro Zentimeter Dicke, um vollständig auszutrocknen. Synthetische Dämmungen können nach sieben Tagen überputzt werden. Wer das überspringt, riskiert Feuchteschäden. Das ist kein Zeitproblem - das ist ein Qualitätsproblem.

Querschnitt eines historischen Mauerwerks mit atmungsaktiver Dämmung und Kalkputz.

Die falschen Lösungen, die oft genutzt werden

Es gibt viele „schnelle“ Lösungen. Sie sind verlockend. Und sie sind tödlich für denkmalgeschützte Bauten.

  • Kunststofffenster mit dichter Verglasung: Sie sparen Energie - aber sie verhindern den Luftaustausch. Die Luft bleibt stehend. Die Feuchtigkeit bleibt. Schimmel kommt. Das Fraunhofer-Institut warnt: „Bei einem ungedämmten Altbau mit neuen, dichten Fenstern steigt die Schimmelgefahr exponentiell.“
  • Synthetische Dämmstoffe: Styropor, Mineralwolle mit Kunststoffbindern, Polyurethan - alle halten Feuchtigkeit fest. Sie sind billiger. Sie sind schneller. Und sie führen zu teureren Schäden später.
  • Chemische Desinfektion ohne Entfernung: Wer nur sprüht und nicht abschlägt, bekämpft nur die Symptome. Die Sporen bleiben in den Poren. Sie schlafen. Und erwachen, wenn die Luft wieder feucht wird.
  • Luftentfeuchter als Dauerlösung: Sie helfen kurzfristig. Aber sie verändern nichts an der Bauphysik. Die Wand bleibt kalt. Die Feuchtigkeit bleibt. Der Schimmel kommt zurück.

Ein Fallbeispiel aus der Schweiz: Die Brugger AG sanierete ein denkmalgeschütztes Haus aus dem 19. Jahrhundert. Vorher: 45 % der Wände waren von Schimmel befallen. Nach der Sanierung mit Kalkputzsystemen und mineralischer Innendämmung: nur noch 8 %. Die Kosten stiegen um 20 % - aber die Langzeitkosten sanken um 70 %. Denn es kam kein neuer Schimmel.

Was kostet das?

Mineralische Dämmstoffe und Kalkputz sind teurer als synthetische Alternativen. Sie kosten 20 bis 30 % mehr. Aber das ist der falsche Blickwinkel. Die echten Kosten entstehen, wenn die Sanierung fehlschlägt. Dann muss man alles wieder abreißen. Die Wand wird beschädigt. Die Holzbalken müssen ersetzt werden. Die Kosten verdreifachen sich. Die CARME-Nordwest GmbH hat dokumentiert: Falsche Materialwahl erhöht die Sanierungskosten um das Dreifache.

Die Deutsche Energie-Agentur schätzt, dass jährlich 1,8 Milliarden Euro in Deutschland für Schimmelsanierungen an Denkmalen ausgegeben werden. Und das ist nur ein Bruchteil des tatsächlichen Bedarfs. Der Sanierungsstau wächst. 31 % der Gebäude sind betroffen. Und nur wenige Handwerker haben die Expertise dafür.

Vergleich: schädliche synthetische Dämmung vs. atmungsaktive mineralische Lösung.

Was ändert sich 2025?

Die neue EnEV 2024 hat eine wichtige Änderung: Innendämmung mit mineralischen Materialien bis zu 8 cm Dicke ist jetzt ohne Genehmigung erlaubt - solange das äußere Erscheinungsbild nicht verändert wird. Das ist ein großer Schritt. Vorher musste man bei jeder Dämmung einen Antrag stellen. Jetzt kann man schneller handeln.

Auch das Fraunhofer-Institut arbeitet an einem neuen WUFI-Plus-Modell, das speziell für denkmalgeschützte Gebäude kalibriert ist. Es kann vorhersagen, wo und wann Schimmel entsteht - und wie man ihn verhindert. Das ist keine Theorie mehr. Das ist praktische Planung.

Und die TU Wien hat mit dem „Wiener Modell“ einen Leitfaden veröffentlicht, der klar sagt: Handwerk vor Maschine. Reparatur vor Erneuerung. Reversibilität vor Festigkeit. Das ist der Kern des Denkmalschutzes. Nicht die neueste Technik. Nicht die billigste Lösung. Sondern die richtige Lösung - für das Gebäude, für die Menschen, für die Zukunft.

Was bleibt?

Schimmel in einem denkmalgeschützten Haus ist kein Problem der Vergangenheit. Es ist eine Herausforderung der Gegenwart. Und die Lösung liegt nicht in modernen Materialien, sondern in altem Wissen - verfeinert mit neuer Technik. Mineralische Dämmung. Kalkputz. Kontrollierte Lüftung. Und vor allem: Respekt vor der Substanz.

Ein altes Haus atmet. Man muss es nicht abdichten. Man muss es begleiten. Und wenn man das tut, dann hält es noch hundert Jahre - ohne Schimmel. Ohne Risse. Ohne Verfall.

Kommentare (1)

Lukas Witek
  • Lukas Witek
  • Dezember 12, 2025 AT 10:23

Ich hab letztes Jahr mein Großvaterhaus sanieren lassen – mit Kalkputz und Kalziumsilikatplatten. War teuer, aber der Unterschied? Die Wände atmen wieder. Kein Schimmel mehr. Und die Luft? Die riecht nach Holz und Sommer. 🌿

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